Kurt Caviezel im Kunstmuseum Chur

Kurt Caviezel · Landscape 11, 2001, 120 x 180 cm

Kurt Caviezel · Landscape 11, 2001, 120 x 180 cm

Besprechung

Aus einem «Vorrat» von über hunderttausend winzigen Bildern bietet Kurt Caviezel seine «Points of View»/«Standpunkte» dem Betrachter dar. Im Bündner Kunstmuseum ist die Arbeit des Manor – Kunstpreisträgers jetzt zu sehen.

Kurt Caviezel im Kunstmuseum Chur

Chur
Er muss sein Wohnzimmer nicht verlassen. Kurt Caviezel (*1964) sitzt am Computer und lässt die bunte, virtuelle Welt des Internet über seinen Bildschirm flimmern. Er ist noch nie weit gereist, noch nie geflogen. Doch was er zeigt, kennt keine Grenzen. Die ganze Welt steht ihm zur Verfügung. Er sitzt auf der Lauer. Stundenlang. Dann schlägt er zu. Wie ein «richtiger» Fotograf. Statt dem Auslöser bedient er die Maustaste und füllt sein Archiv mit Aufnahmen aus Webcams, die ihre Bilder regelmässig ins Internet laden. Die weitere Arbeit macht ein herkömmlicher Tintenstrahldrucker: Die Tinte sprüht auf eine klare Folie, trocknet ungleichmässig, reisst mitunter im Schwarzbereich, wobei feinstes Craquelé wie auf den Ölbildern alter Meister entsteht. Jedes Werk wird zum Unikat. Die Drucke sind zunächst winzig klein. In einem Fotostudio erfolgt die Vergrösserung. Wie in einer pointillistischen Malerei zaubert ein Regen von unregelmässig verstreuten Punkten das Bild herbei.

Das Bild hat keinen Autor und ist doch authentisch. Durch Caviezels Wahl erhält es einen eigenen Kontext. Der Künstler demonstriert die Vermischung von Realität und Virtualität, Privatsphäre und Öffentlichkeit, macht beide Welten austauschbar. Was er zeigt, ist brandaktuell und gleichzeitig bereits vergangen. Distanzen schrumpfen, Ungewöhnliches wird banal und bieder. Caviezels Arbeiten sind in hohem Masse verwirrend.

Die Motive – Stilleben, Interieur, Landschaft, Porträt – sind diejenigen traditioneller Malerei. Nicht ohne feinen Humor spielt er auf bekannte Künstler und ihre Sujets an. Gleichzeitig ist seine «Foto-Malerei» von luzidem, transparentem, schimmerndem Ausdruck, das Farbenspiel – lebendig, bewegt. Der malerische Charakter eines Blumenstausses, Winterwalds, einer häuslichen Szene ist verblüffend. Mit dem wechselnden Blickpunkt – dem «point of view» des Betrachters ändert das Bild laufend Charakter und Inhalt. Neun Ansichten des Silsersees im Engadin, zu einem quadratischen Block gehängt, belegen das eindringlich. Man ist in eiskalt technischen und doch vertrauten Welten von Hodler, Segantini und Giacometti. Skulpturalen Ausdruck erreicht der Künstler, wenn er sich Abbildungen aus einem Möbelkatalog im Internet auf seinen Drucker holt und dabei dessen Raster zum Hintergrund macht.

In einem kleinen Kabinett werden in endloser Folge etwa zwanzig Porträtdias projiziert. Die Gesichter tauchen auf, kommen näher, weichen zurück wie in einem krummen Spiegel. Thema ist auch hier die Distanz, zu sich selbst und zu den Porträtierten.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Beat Stutzer und Ulrich Binder. Aufgemacht wie eine Billig-Illustrierte und doch auf edlem Papier makellos gedruckt, ist er verwirrend, wie Caviezels Arbeiten zwischen Fotografie und Malerei (sFr. 29.95).

Im Untergeschoss werden die Bündner Manor-Preisträger der vergangenen Jahre vorgestellt (Hans Danuser, Thomas Zindel, Markus Casanova, Pascale Wiedemann, Gaudenz Signorell, Gregori Bezzola).

Bis 1.4.

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