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Christian Lindow — Neoexpressionismus mit Zwetschgen

Zürich — Was geschieht, wenn der plötzliche Tod einen Maler trifft? Das Werk des Malers Christian Lindow beispielsweise verschwand zwanzig Jahre abrupt. Zurzeit finden Bergungsarbeiten statt, unter anderem auch, weil ein aus dem Amt gestemmter Kunsthalledirektor ihm eine Ausstellung einräumen wollte. Der ganze Fall wirft Fragen auf.

Es klingt immer ein wenig nach Goldgräberstimmung, wenn das Werk eines in Vergessenheit geratenen Künstlers aus den Tiefen eines Lagers gehoben wird. Christian Lindow (1945-90) schied durch einen tragischen Unfall aus dem Leben. Seine Ehefrau starb kurze Zeit später. Ihre Tochter blieb in Bern zurück.

Der ausgebildete Bildhauer Lindow zog Ende der 60er-Jahre aus Mannheim in die Schweiz um zu heiraten. In den 70er-Jahren geriet er in der Kunsthalle Bern in den ästhetischen Sog der wohl bedeutendsten deutschen Malern Georg Baselitz und Gerhard Richter, die wie Lindow, aus der Deutschen Demokratischen Republik emigrierten. Fortan widmete er sich der Malerei. Johannes Gachnang zog damals in der Kunsthalle die Fäden und öffnete der mit Schimpf und Schande aus dem Paradies vertriebenen Malerei erneut die Türen der Ausstellungshallen. Als Rudi Fuchs die documenta 7 1982 aufschliesst pflanzt Joseph Beuys zwar 7000 Eichen, der kuratorische Wind aber weht in eine andere Richtung: Zurück ins Museum, wo sich die deutschen Malerfürsten buchstäblich auf den Wänden stapeln. Auch Lindow ist mit dabei, zwar wie man hört nicht prominent, aber trotzdem. Gachnang sitzt im künstlerischen Beirat. Die Berner Connection wirkt! Künstlerischer Erfolg ist mehr als nur die Summe ihrer augenscheinlichen Einzelteile.

Trotz allem, in der Kunstprovinz Bern mit seinem tapferen Leuchtturm Kunsthalle bleibt Lindow isoliert. Seine Werke greifen den neoexpressiven Duktus der Neuen Wilden auf, die sich in Köln an der Mühlheimer Freiheit, Düsseldorf oder in Berlin zusammenscharen. Bern aber ist Bern und um einen Bildersturm zu erzeugen braucht es mehr Zunder als einer, der gegen Konventionen verstösst. Lindow arbeitet sich nicht den grossen historischen Themen ab oder verfällt dem Punk Style. Er malt nach Katalogausschnitten lieber Zwetschgen oder Porträts, zuweilen auch Landschaften. Das ist alles etwas brav, passt eigentlich nicht zum zuweilen kräftigen Malduktus, der gerne auch mal pastos aufgetragen wird. Und doch, diese Unverfrorenheit sich so an Stillleben in den 80er Jahren zu vergehen und das auch gern grossformatig, mag heute durchaus überraschen und in gewisser Weise einen Hauch postmodernen Humors herbeizaubern.

Posthum widmete dann das Kunstmuseum Winterthur 1995-96 eine Retrospektive mit ausführlichem Katalog, in dem die damals Beteiligten Protagonisten nochmals auftreten. Es mag die Ironie des Schicksals sein, dass der Malereiliebhaber Fabrice Stroun eine Lindow-Ausstellung in der Kunsthalle ins Programm nehmen wollte, sein Abgang just dies aber verhinderte. Nun ist der Estate von der Tochter Anna Lindow zur Verwaltung an die Galerie Mai36 übergegangen und Stroun hat eine Auswahl getroffen.

Man darf sich zu Recht fragen, wer in Bern sich für solche Ausnahmefälle eines verlorenen Malererbes zuständig fühlt. Werden künftig Galerien in die Bresche springen, um das kulturelle Erbe zu wahren? Denn, auch wenn hier kein Virtuoser am Werk war, Lindow ist Zeitzeuge der malerischen Umwälzungen und verdiente eine Eingliederung in den kunsthistorischen Kanon. Dies gerade auch hinsichtlich derer Kunstschaffenden, deren Werke gerade aktuell sind, deren Namen man aber nicht Zunge schnalzend erwähnt und doch Bestandteil eines grösseren Erbes sind. Eine Diskussion darüber, was in Zukunft gesammelt werden soll, findet in den grossen Häusern nicht oder hinter geschlossen Türen statt. Transparenz geht anders.

Instituzioni

Titolo Paese Località Details
Mai 36 Galerie
Svizzera
Zürich
Svizzera
Zürich

Artisti

Details Name Portrait
Christian Lindow

Autori

Mostre / Eventi

Titolo Data Tipo Località Paese Details
Christian Lindow - Ausstellung Zürich Svizzera
-
Ausstellung
Zürich
Svizzera