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Line Marquis – Man macht es mit dem, was man schon hat

Buchillon/VD – Line Marquis (*1982, Délémont; lebt und arbeitet in Lausanne) ist vor allem für ihre imaginativen, mysteriösen Gemälde in unwahrscheinlichen Farbkombinationen bekannt, in denen sie die ökologische Krise in Augenschein nimmt. Mit wandfüllenden Kohlezeichnungen und Serien von nur handgrosser mit Hilfe von aufgerissenen im Innern metallbeschichteten TETRAPAK-Containern gefertigten Stichen nimmt sie nun jedoch eine Einladung in ‹La chambre rose› von aarlo u viggo in Buchillon wahr. Damit bezeichnet die in einer ehemaligen Wohnung in einem Dorfhaus aus dem 18. Jahrhundert eingerichtete Galerie ein bereits zum sechsten Mal realisiertes Format, das aus einer in die aufwändigeren, ausgedehnteren Ausstellungen eingestreuten Soloschauen von nur zwei, drei Wochen in dem mit einer pinken Tapete ausgeschlagenen Zimmer besteht. Zu sehen ist dabei in den übrigen Räumen die bemerkenswerte Gruppenschau ‹Let in the Light›, inspiriert von der Einsicht von Groucho Marx: «Blessed art the cracked, for they shall let in the Light».

Auch bei Line Marquis geht es um post-traumatisches Wachstum. Der Schrecken über die zu erwartenden Folgen der Klimaerwärmung und des Artensterbens bei allen, die sich gewissenhaft mit den Berichten der Interngovernemental Panel of Climate Change/IPPC und des Word Biodiversity Forum/WBF auseinandersetzenden Bürger und Bürgerinnen beschäftigen, sind in ihren Werken bereits ausgestanden. Die Künstlerin entwirft ein Dystopie, die auch schöne und glückliche Momente einschliesst – und möglicherweise sogar mehr davon als hier und jetzt. Sind wir nicht alle angesichts der Flucht nach vorne in weiter nur den Reichtum der Erde schmälernden Technologien, die fast nur unseren weiteren Konsum und die politischen Attitüden und Aktivitäten manipulierenden Unterhaltung dienen, oft nur noch müde und traurig?

Entsprechend nimmt man tatsächlich die letztlich in nichts anderem als eingeäschertem Holz auf eingestampftem Holz den bekannten Jurapanoramen des die Kunst- und Kunstgewerbeschulen von La Chaux-de-Fonds fundierenden Charles L’Eplattinier (1874, Neuchâtel–1946, Les Brenets zwischen La Chaux-de-Fonds und Le Locle) nachempfundene Landschaft wahr, welche die Stirnwand von ‹La chambre rose› bedeckt. Wie ein Trauerflor ist den steinigen Weiden und den dunklen Tannen bis zum Horizont umgelegt, während der notdürftige, mit seitlich aufgeschlitzten Kunststofftaschen verbundene und mit PET-Flaschen zugleich geschützte wie verzierte Steckenzaun im Vordergrund vor einer Geröllhalde den Eindruck erweckt, dass da noch nicht lange ein das Relief veränderndes Unwetter hinuntergegangen ist, woran sich die hier lebende oder Erholung suchende Population erst gewöhnen muss. Auch in einer angegriffenen Natur erscheint letzteres jedoch noch möglich nicht zuletzt auch aufgrund der Solidarität der Menschen, sich gegenseitig vor Gefahren zu waren.

Fein führt einem so diese einen in ‹La chambre rose› in den Bann ziehende Kohlenzeichnung in die Themen der Familie weiterer etwas kleinerer solcher Bläter, die an den übrigen durch die Eingangstüre, zwei Fenster respektive einem eingebauten Gestell unterbrochenen Wänden aufgehängt sind. Trotz ihres ebenso realistischen, wenn auch nicht manisch realistischen, sondern auch von Unschärfen lebenden und atmenden Stils, sind sie essenziell allegorischen Gehaltes. Sie verweisen vermittels einer Schar von Vögeln auf einem Baum, einem aus Totenschädel aufgerichtetes Steinmännchen sowie einer von Aktivisten gebildeten Menschenpyramide nicht nur auf die Interdependenz zwischen den Lebewesen einer Gattung und dies nicht zuletzt auch intergenerationell. Sie beschäftigen sich auch mit der Frage der Hierarchie in diesem Zusammenhang und ihrem Sinn oder Unsinn. Unsere Ideale von Egalität und Diversität stehen in eklatantem Kontrast zur steigenden Ungerechtigkeit nicht zuletzt durch die Klimaerwärmung und das Artensterben. Es wird Gewinner und Verlierer geben wie auch Leute, die andere vor Feuern und Wassern retten und darin verenden werden. Oder es gibt sie jetzt schon! 

In den auf einem Sockel vor dem Fenster wie auch im eingebauten Gestell präsentierten TETRAPAK-Stichen, die offenbar bei Bastlern und Bastlerinnen schon lange als Kollografien bekannt sind, ist dagegen einmal mehr die Botschaft enthalten, trotz allem nicht auf Bezauberndes und Erheiterndes zu verzichten, sondern das Leben, das man hat, vielmehr mit seiner Familie und dem Kreis von Freunden und Freundinnen bereits hier und jetzt mit nicht nur insofern unschuldigen Aktivitäten auszukosten, als dass diese treibhausgasarm sein sollten. Auf den kongenial in dieser eher nur spassigen Druckgrafiktechnik genierten Bildern (nur etwa drei kaum so prägnante Abzüge wie mit Hilfe einer Kupferplatte können damit gemacht werden) scheinen selbst Erwachsene das Paradies der Kindheit wiedergefunden zu haben! Sie leben in einer Welt, in der man es mit dem macht, was man schon hat, schlicht und ergreifend wie etwa mit dem Auto ein Gewächshaus. Die eigene Imagination und physische Hingabe sind von Neuem in das Spiel.

Instituzioni

Titolo Paese Località Details
Aarlo u Viggo, galerie d'art
Svizzera
Buchillon
Buchillon

Artisti

Details Name Portrait
Line Marquis

Mostre / Eventi

Titolo Data Tipo Località Paese Details
La Chambre Rose — Line Marquis - Esposizione Buchillon Svizzera
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Esposizione
Buchillon
Svizzera
Let in the Light (Collective) - Esposizione Buchillon Svizzera
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Esposizione
Buchillon
Svizzera