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Markus Amm – Der Raum der Malerei

Markus Amm – Der Raum der Malerei

Genf – Die gegen Ende des Mittelalters, zu Beginn der Neuzeit aus der Altarmalerei hervorgegangene Tafelmalerei auf Holz oder Tuch war seit der Erfindung der Fotografie immer wieder totgesagt worden – trotz ihrer grossartigen Verlagerung auf Abstraktes und Konstruktives und später Appropriatives und Konzeptuelles. Sie hatte durch das Aufkommen technischer Produktionsmöglichkeiten des Bildes erst nur in gefrorener und dann auch in bewegter Form wie auch der zunehmenden Aufmerksamkeit gegenüber künstlerischen Gesten, die kaum mehr traditionell zu klassieren sind, nur ihre jahrhundertelange Vormachtstellung unter den Kunstgattungen eingebüsst. Und fatal für sie stellte sich heraus, dass sie zwischen den 1970er und 1990er Jahren synonym geworden war mit dem regressiven, narzisstischen Pathos im Rahmen der neuen Figuration, die zugleich wieder perfekt den Markt für die Stube bediente. Eine Weile wurde sie nur mehr mit Hohn und Spott in der Art von Joseph Beuys berühmter Bemerkung von 1985 bedacht: «Das Problem fängt schon an, wenn einer sich anschickt, Rahmen und Leinwand zu kaufen.» 

Gerade die Tatsache, dass niemand von Malern und Malerinnen jedenfalls innerhalb eines dem Publikum wie ein Spiegel auf Augenhöhe vorgesetztes Bildvierecks noch eine Revolution erwartete, erlaubte es jedoch um 2000 einer neuen Generation von Kunstschaffenden, das Medium noch einmal ohne a prori im Windschatten des übrigen Geschehens zu untersuchen, aus den ihm eigenen Materialien, Prozessen und Ritualen heraus.

 

Absenz von Konturen

Markus Amm (*1969, Stuttgart), ist ein wichtiger Vertreter dieser Neubewertung der Tafelmalerei zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Er fiel zuerst mit oft menschengrossen Gemälden in zurückhaltender Tonigkeit auf, die markante Texturen von Pinselstrichen und Spachtelschlieren in ein inkongruentes Spannungsverhältnis mit prägnanten Geometrien setzen. Dies hatte ihm notabene einen Platz in den programmatischen Ausstellungen «Formalismus» von Yilmaz Dziewior im Kunstverein Hamburg 2004 und «Neuer Konstruktivismus» von Stephanie Heraeus in der Kunsthalle Bielefeld 2007 gesichert. Seit den frühen 2010er Jahren tritt Markus Amm dagegen im Rahmen der Malerei vornehmlich mit kleinformatigen Bildern auf, die weder intern noch extern mehr klaren Konturen aufweisen. Vielmehr eröffnen sie einen organischen, transparenten Schauraum mit nur mehr ungefähren Farbabwicklungen, -verflechtungen und -überlagerungen, die schwierig zu beschreiben sind. Aber sie lassen Erinnerungen an Eindrücke grosser Sublimität wach werden wie etwa von Vulkanausbrüchen oder Nordlichtern oder auch Farbmustern, wie man sie mit geschlossenen Augen sieht, und stossen Sehnsüchte nach Entgrenzung und Unendlichkeit an. Die Wahrnehmung der farblich modulierten Unschärfen variiert darüber hinaus in ihrer Ausbreitung in der Fläche wie auch nach vorne und nach hinten sensibel je nach natürlichem oder künstlichem Licht. Fotografien in Gedrucktem oder auf dem Bildschirm vermitteln diese Werkserie deshalb nur unzureichend. 

Ines Goldbach hat sich 2017 damit verdient gemacht, Markus Amm im Kunsthaus Baselland die erste umfassende Ausstellung auszurichten, in der sie beide Schaffensperioden in einen Zusammenhang stellte, während der Stern des Künstlers kraft der jüngeren beständig im Steigen begriffen war. Er wurde solo von Galerien zwischen Hamburg, London, Athen, Los Angeles und Seoul gezeigt und in zahlreiche Gruppenschauen ebenso rund um den Globus eingeschlossen. In Genf, wo Markus Amm nach Stationen in Berlin und London seit 2016 aus privaten Gründen lebt und arbeitet, war er jedoch abgesehen von Gruppenschauen in der Galerie Ribordy (2011) und den Off Spaces Hard Hat (2017) und Geneva Conventions of more Sense in Leif + Lof 2 (2018) noch nie zu sehen gewesen. Abhilfe schafft nun die Galerie Mezzanin von Karin Handlbauer mit einer Einzelausstellung, die eine erlesene Auswahl von Gemälden aus diesem Jahr vereint. 

 

Die Unterlage ist die Hälfte der Malerei

Die Werke geben bei einer direkten Begegnung mit ihnen erst einmal Eugène Delacroix recht, als dieser in sein Tagebuch notierte, dass die Unterlage die Hälfte der Malerei sei. Markus Amm hat seinerseits verbreitet, dass ihn die Verführung durch die Oberfläche einer zufällig von ihm zwischen anderem Künstlerbedarf entdeckten Holztafel, die mit Gesso grundiert war, malerisch auf neue Pfade führte. Mittlerweile trägt er selbst bis zu rund 30 Lagen dieses Gemisches von Gips und Kreide auf über Holzkerne gezogene Leinwände auf, um ebenso stabile wie poröse Malflächen zu erhalten. Nur mehr hauchdünne Schichten von Ölfarbe lässt er in der Folge nach und nach darin einsickern, bis ihn die Gemälde vor der Folie von allem bereits Gesehenen – und das ist wie bei vielen Kunstschaffenden heute enzyklopädisch – genug überraschen, erschüttern und anregen, dass er sie aus der Hand geben mag. 

Obschon bei ihnen die Vorbereitung der Unterlage bedeutend geworden ist und bereits den unregelmässig gerippten, abfallenden Rand von ihr bedingt, bleibt auch hier die Erzeugung des Bildes ein ungleich intensiveres Moment. Die Zeit der graduellen Gesten ist jedoch verschwindend kurz geworden gegenüber der Dauer der Verifizierung eines jeden der Zustände mitunter bereits in der Vertikale und der Erwägung der Frage: Soll weiter interveniert und experimentiert werden und wenn ja, wie? So kann alles Neue immer auch im Vermasseln der Gemälde enden, was das Abschleifen bis weit in die Gessogrundierung hinab nötig macht. Bis zu Auslotungen der Auswirkungen auf das Plastische wie auch das Ikonische allein durch die unterschiedlichen Gewichte der einzelnen Pigmente ist Markus Amm dank dieser offenen Arbeitsweise vorgedrungen. 

 

Absenz von Intention

Markus Amm hat damit den Cursor in seiner Malerei radikal von der Konzeption und der Realisation zu der Betrachtung oder vom Aktiven zum Kontemplativen verschoben. Diese Gemälde wollen nichts, nichts darstellen, nichts bedeuten. Aber sie bilden zweifellos auch ausserhalb eines White Cubes wie die Galerie Mezzanin, in der sie Markus Amm in grossem Abstand voneinander aufgehängt hat, nur noch faszinierendere, magnetisierende Angebote, das Sehen immer wieder zu verfeinern und Erinnerungen und Sehnsüchte kommen und – nicht zuletzt – gehen zu lassen. 

Instituzioni

Titolo Paese Località Details
Galerie Mezzanin
Austria
Wien
Wien

Artisti

Details Name Portrait
Markus Amm

Mostre / Eventi

Titolo Data Tipo Località Paese Details
Markus Amm - Esposizione Genève Svizzera
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Esposizione
Genève
Svizzera