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Trix und Robert Haussmann – Kaleidoskopische Gedankenwelten

Zürich – Brillant rücken Design+Design alias die Trendforscherin Joan Billing und der Architekt Samuel Eberli auch diesen Herbst eine weitere Position der Schweizer Innenarchitektur und der Möbelgestaltung in das Rampenlicht. Die Herausgabe einer gewichtigen Publikation, an der renommierte Designfachleute wie Arthur Rüegg, Claude Liechtenstein, Stefan Zwicky, Renate Menzi und Meret Ernst mitschrieben, ging dabei wieder Hand in Hand mit der Produktion einer eleganten Ausstellung. Nur ist diese wegen des Umzugs des sonst gastgebenden Architekturforums vom Neumarkt in das Zollhaus diesmal im Untergeschoss im Löwenbräuareal untergebracht.

Von Geheimtipps zu Stars des Swiss Design
Im Vergleich zu den Anfängen hat sich das Interesse von Design+Design in den letzten Jahren bereits deutlich von Geheimtipps wie einem Jacob Müller, 2011, und einem Werner Max Moser, 2012, auf eher bekannte Grössen verlagert wie zuletzt Hans Eichenberger, 2017, und Kurth Thut, 2018. Dieses Jahr sind sogar die zweifellos seit Jahrzehnten auch im Ausland als die Spitze des ‹Swiss Design› wahrgenommenen Trix und Robert Haussmann (*1933 und *1931) an der Reihe. Letzterer stellte dabei durch die Mitbegründung 1959 des unter dieser Bezeichnung laufenden Kollektivs zusammen mit Teo Jakob, Hans Eichenberger, Kurt Thut und Alfred Halblützel 1959 eine entscheidende Weiche zur «Labelisation» dieses in diesen Jahren sich durchsetzenden modernen und damit eigentlich internationalen Ansatzes von Entwurf und Herstellung.  

Manierismo critico
Gerade der bei Itten und Guhl in Zürich wie auch Rietveld in Amsterdam geschulte Innenarchitekt und die bei Moser und Schader studierte Architektin, welche sich an der Expo 1964 getroffen haben und seit 1967 verheiratet wie auch als Büro unter dem humorvollen Namen ‹Die Allgemeine Entwurfsanstalt Zürich› durch das Leben ziehen, unterliefen die in der protestantischen, puritanischen Schweiz in diesem Zusammenhang aber zweifellos besonders virulente Askese, die sich neben der Funktionalität auch auf einen Ökonomiegrundsatz und eine Materialwahrheit berief. In dem um 1970 entwickelten Konzept des ‹manierismo critico› eröffnete das Paar eine Ära, die dazu ähnlich auf spitzfindige Regelbrüche zurückgriff, wie dies im Cinquecento ein Michelangelo und ein Palladio taten, um sich von der pedantischen Imitation einer idealisierten Epoche zu befreien, zu welcher die Wiedergeburt der Antike geraten war, und die Imagination wieder in das Spiel zu bringen. Zugleich floss mit den durchaus auch von den Werken des italienischen Manierismus an und für sich inspirierten Verkleidungen und Vergeudungen von Trix und Robert Haussmann eine Latinität in die erst durch die Reformation richtig unter den Einfluss des Nordens gekommene Schweiz. Wohltuend unterschied sich diese Latinität jedoch von dem in diesen Jahren wieder einmal virulenten Hang der Franzosen zur totalen Destruktion/Rekonstruktion.

Das Beste
So verkörpern Trix und Robert Haussmann nach wie vor wie das Beste eines Wandels, der sich in anderen Bereichen als eher verheerend herausgestellt hat. Bedächtig und mit einem Sinn für gute Geschichten wird diese Zäsur im Werk der Haussmanns von Billing und Eberle in der Schau vorbereitet. Die Szenographie nimmt sich dabei als ephemere Architektur nicht zu ernst, sondern tritt verschmitzt und festlich auf. Farblich bewegt sie sich von einer kalten Kombination von Grün und Violett zu einem breiten Fächer von südlich und sinnlich wirkenden Ockertönen.  Kühn sind die Sockel, auf denen die Möbel meist vor einer reichen Dokumentation ihres Anlasses wie Zeichnungen und Plänen stehen, schlicht und einfach saisongerecht wie Weihnachtsgeschenke mit Papieren in Terrazzo- und Marmor-Mustern eingefasst. Wo es etwas Abstellfläche gibt, finden sich sogar Blumen und Schalen mit Mandarinen, Schokolade und Lebkuchen!

Berückende Momente Schweizer Wohnkultur
Die ausgewählten Momente aus dem bereits in der Mitte der fünfziger Jahre einsetzenden Schaffen Robert Haussmann reflektieren eine Schweizer Wohnkultur in berückender Fertigung und Schönheit. Roberts Haussmanns Innenleben löste den Ökonomiegrundsatz des Swiss Designs abgesehen von den Satztischen, mit denen er 1957 in der Berliner Interbau viel Aufmerksamkeit erhielt, meist vor allem im Anspruch auf eine Generationen überdauernde Langlebigkeit ein. Immerhin war Robert Haussmann der Sohn eines Antiquitätenhändlers, Dekorateurs und Ensembliers! 

Öffentliches und Geheimes
Alles begann mit dem noch im Studium nach ägyptischen Modellen im Rietberg Museum entwickelten Schnurstuhl, der sich jedoch zusammen mit einem passenden Tisch dann auch ganz gut machte in dem von Alfred Halblützel und Kurth Thut 1950 modernisierten Laden von Teo Jakob, der seinerseits von japanischen Teehäusern inspiriert war. Eine Sternstunde im frühen Schaffen Robert Haussmanns waren neben den offiziellen durch Wettbewerbe erhaltenen Aufträgen (Botschaft der Schweiz in Neu Dehli, Sitz der Unesco in Paris) die dagegen zusammen mit Gustav Zumsteg sogar verheimlich vor seiner Frau Hulda geplante Kronenhallenbar, die der Designer durch eine Verfeinerung der Proportionen der ordinären Mahagonitäfelungen und Ledermatelassierungen englischer Herrenclubs sowie der Integration kunstvoller Lampen aus Bronze und Alabaster von Diego Giacometti zum schönsten Ort für Tagträume an Regentagen in Zürich – auch für Damen – verwandelte. 

Verbesserungen der Moderne
Von viel, aber auch berechtigtem Selbstbewusstsein zeugt die Verbesserung und Verschönerung von Klassikern der ersten Generation von Modernisten, darunter Mies van der Rohes ‹Barcelona Chair›, 1929. So ist der Fauteuil ‹RH 301›, 1954, wohl raffinierter durch die Aufhebung der von der Lehne und dem Sitz her gekreuzten Fugen zu Gunsten eines sich schwungvoll begegnenden Ober- und Unterteil sowie einer aus einer ganzen Rinderhaut gefalteten statt aus Lederstücken vernähten Tapezierarbeit. Ähnlich setzte sich Robert Haussmann später mit der Welle des dänischen Mobiliars auseinander, indem er in seinem organischen Holzstuhl für die Expo 1964 die nicht selten dem Skulpturalen geschuldeten Mangel dieser Entwürfe ostentativ aufhob. 

Verflüssigungen der Moderne
Ausgerechnet das Gebot der Funktionalität hinterfragen Robert und Trix Haussmann 1967 indes in ihrem ersten die Öffentlichkeit erreichenden kritischen Projekt, den heute ikonischen Möbeln wie etwa ‹Chair Fun› an. In der Tat an duchampche Verfremdungen von Alltagsobjekten zu Sinnbilder andockend, sind es eigentlich eher Werke der plastischen Kunst, die deren Möglichkeiten zum Diskurs über alles, was uns angeht, in einem Scharnierjahr zwischen der modernen und zeitgenössischen Kunst vielleicht nicht weniger befeuerten, wie Harald Szeemans legendäre Ausstellung in der Berner Kunsthalle ‹Live in Your Head – When Attitudes Become Form›. Ist das Schaffen des Paars deshalb in den letzten Jahren nicht nur im Architektur-, sondern auch Kunstfeld bereits sehr häufig thematisiert worden, ist es doch immer ein Moment grosser Emotion auch vor Originalen zu stehen, deren Proportionen, aber auch Formen und Farben sich in unserem Gedächtnis ja so schnell und leicht verflüssigen. Die Schau von Billing und Eberle zu den Haussmanns schliesst im wunderbaren Raum ab, der neben dokumentarischen Thematisierungen der Projekte ‹MIRA-X 1981› und ›Säulenstumpf 1977 – Lehrstück II› nach mehr den Wänden entlang gezogenen Dispositionen plötzlich nun die ganze Bühne frei gibt für das berühmte oft als Zebra-Sideboard angesprochene Möbel ‹Wogg 12 Stripe›, 1988. Dessen Furnier über einem modernen Nullpunkt in Form eines nicht mehr weiter zu reduzierenden Holzkörper, der auf vier Stahlbeinen schwebt, ist jedoch eine Hommage an feierlich über Altäre wie auch über Möbel auf dem Dachboden geworfene Tücher. Und was für eine Geist und Sinne in ebensolche Wellen und Wogen bringende Epitome postmoderner Theatralik!

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Trix und Robert Haussmann – Protagonisten der Schweizer Wohnkultur - Esposizione Zürich Svizzera
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