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Apologie der Malerei

„Aber sie lügen doch alle, selbst die ehrlichsten, geschicktesten unter ihnen, und da es ihnen an Worten und Sätzen fehlt, mit denen sie das Leben umreißen könnten, bilden sie eine gefällige und schwache Darstellung davon ab; andere wiederum (…) erschweren diese Darstellung und belasten sie mit einem feierlichen Ton, der dem Leben fern ist. Und andere dagegen (…) erleichtern das Leben, sie verwandeln es in einen hohlen und hüpfenden Ball, den man leicht fangen und in die schwerelose Welt schießen kann.“

Marguerite Yourcenar

In irgendeinem – selbstverständlich - historischen Zeitpunkt erreichte die Kunst ein Stadium, in dem sie nicht mehr so tun konnte, als ob es ihr gelänge, die Realität nachzuahmen. Stattdessen präsentierte sie die Idee, ihre eigene Realität bilden zu wollen. Diese Idee führte zu solch radikalen Phänomenen wie der Schaffung einer eigenen, von der Realität unabhängigen Sprache, oder in der Malerei zu den ersten Gemälden, die nichts darstellten, was mit der materiellen Welt, die uns umgibt, in Verbindung gebracht werden konnte. Und während die radikalen Anhänger der Autonomie des Gemäldes sich von ihrer Überzeugung hin bis zur ultimativen Gegenstandslosigkeit hatten leiten lassen, wonach sie ihre Pinsel und Farben liegen lassen und der Malerei ein Ende erklären mussten, beharrten hingegen andere, etwas gemäßigtere auf ihrer Überzeugung, dass ein Gemälde nicht nur existieren, sondern auch unter Bedingungen vollständiger Autonomie überleben könne. Für einige führte die frühe Abstraktion zum abstrakten Expressionismus, wie es bei Kandinskys Nachfolgern in der amerikanischen Nachkriegsmalerei der Fall war, während andere geometrische und andere Formen der analytischen Abstraktion weiterentwickelten. Am konsequentesten setzte sich die Idee der autonomen Kunst in der Malerei, der visuellsten aller Kunstformen, durch. Sie wurde von jenen Künstlern als absolute Wahrheit angenommen, die glaubten, dass ein Gemälde sein eigenes Leben hat, das sich in Bezug auf die Elemente abspielt, die es für seine Existenz und sein Überleben benötigt, und zwar künstlerische Elemente: Oberflächen, Farben, Linien sowie Punkte. Indem sie diese Elemente auf der Oberfläche einer Leinwand oder von Papier organisierten, gelangten sie zu den künstlerischen Beziehungen, den einzigen, von denen die Malerei lebt. Mit der Entwicklung der Theorie der Hochmoderne endete auch die damit einhergehende Fortschrittsidee. Die darauffolgende Vorsilbe „post“ implizierte eine neue Frische für die Kunst, die sich in neuen Medien und der Öffnung neuer Forschungsfelder niederschlug. Für die Malerei markierte dieses Präfix jedoch die Zeit zwischen zwei Revolutionen. Der einzige Glaube an den Fortschritt und das Überleben der "reinen" Malerei wurde jenen Schöpfern überlassen, die dem modernistischen Konzept der Selbstgenügsamkeit treu blieben.

Đorđe Ivačković, einer der Maler, die den Glauben an die Autonomie der Malerei und ihr unabhängiges Leben akzeptierten, studierte zu Beginn der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts Architektur in Belgrad und widmete sich avantgardistischer Jazzmusik. Anfang der 1950er Jahre verließ er Belgrad in Richtung Paris, um dort seine Karriere als Künstler und Maler zu beginnen. 

Die Einordnung von Đorđe Ivačkovićs Werken gehört zu dem Kontext der lyrischen Abstraktion. Der Künstler möchte eine Verbindung zwischen den verschiedenen Kunstarten herzustellen und einen visuellen Ausdruck für Musik zu finden; eine Ähnlichkeit mit der Freiheit der Musik erzukennen, die keine Melodie sucht, sondern sie durch Improvisationen und freie Tonverhältnisse spontan erschafft. Bei der Suche nach Einzigartigkeit und Originalität – die heute nur noch im Rahmen jener Kunst erlaubt ist, die unter dem Vorzeichen der Moderne lebt – und daraufhin bei der Erforschung der unterbewussten oder unbewussten Quellen ihrer Entstehung, ist es legitim, einige a priori vorhandene Bedeutungen anzunehmen (oder zu unterstellen), wie die Möglichkeit, in einem abstrakten Bild den Genius Loci - den Geist des Ortes - zu erkennen. Gerade in diesem Verhältnis von scheinbar unbedeutenden, aber für den Schöpfer entscheidenden Zügen bestätigt Đorđe Ivačković die Wahrhaftigkeit und Lebendigkeit seiner Malerei und damit das Leben, die Existenz und das Überleben der Malerei im Allgemeinen.

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8001 Zürich
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