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Unsere Zeit verrinnt: Sekunden, Minuten, Stunden, Tage und Jahre. Obwohl es jeden Tag unzählige Begebenheiten gibt, können wir doch nur wenige Momente im Gedächtnis behalten. Bruchstückhaft, oft nicht schlüssig erkennbar, warum gerade dieser Moment so tief verankert ist, während jener verblasst und vergeht.

Manchmal ist es unbegreiflich, warum bestimmte Kleinigkeiten nicht ins Vergessen geraten. Es mag ein Geruch sein (bei Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“ war es zum Beispiel der Geruch einer Madeleine - der sogenannte „Proust-Effekt“), mal ist es ein visueller Eindruck. Lassen wir es zu, uns auf einen solchen Erinnerungsfetzen zu besinnen, kann manchmal ein größerer Zusammenhang hergestellt werden – Gefühle stellen sich ein und wir können uns von einem Erinnerungsstück zum nächsten hangeln.  So entsteht ein Gebilde aus einer Zeit, das schon vergessen schien. 

Erinnerungen beschäftigen den Künstler Tuan Anh seit seiner Serie „Streetlife“ (2002), bei der er auf seine Studentenzeit zurückblickt, in der ärmste Straßenverkäufer an jeder Ecke Hanois ihre Waren anboten. Die weiteren Serien „Oh city“ (2009) (Tho Studio, Hanoi) und „Faraway“ (2012) (Craig Thomas Gallery, HCM City) geben einen Überblick über Kindheitserinnerungen aus seinem Heimatdorf und reflektieren die schnellen Veränderungsprozesse. In der Ausstellung „I wish“ (2010) (Fine Arts Museum, Hanoi) schließlich setzt er seine eigenen Kindheitserinnerungen in Beziehung zu den Wünschen seiner Generation und der Generation seiner Eltern. 

Tuan Anh sagt: „Nur durch die Auseinandersetzung mit meiner eigenen Vergangenheit und dem Bewusstwerden der sozialen Schwierigkeiten, die mit einer sich schnell wandelnden jungen Gesellschaft in Vietnam einhergehen, kann ich versuchen, meine eigene Position als Künstler zu finden.“

Durch die Immigration nach Deutschland wurde das Finden dieser eigenen Position erschwert. Seine Beiträgen zur  Ausstellung „Immigration“  im Goethe Institut in Hanoi (2016) bringen dies zum Ausdruck.  Die Darstellung der Zeit in seinen Bildern verrinnt scheinbar eindrucks- und erinnerungsarm. 

In seinen beiden letzten Serien mit den Titeln "Unberührtes Land“ (2016) und „Fragile“ (2017) (FONIS Galerie, Düsseldorf) konzentriert sich Tuan Anh auf die Vergänglichkeit, das Memento mori, inspiriert durch die natürlichen Zerfallsprozesse von biologischen Strukturen wie z.B. Insektenflügel oder Laub.

In „Erinnerungsrelikte“ sind es Artefakte, die ihn beschäftigen: Die unscheinbaren Relikte von Fresken erheischten bei einem Spaziergang durch Rom die Aufmerksamkeit des Künstlers. Achtlos auf den Wegen liegende Scherben lassen bei genauer Betrachtung ehemalige Kunstwerke erahnen und sie erschienen vor Tuan Anhs geistigem Auge. 

Dies war der Auslöser, um sich erneut mit dem Thema Erinnerungen zu befassen. Doch diesmal geht es mehr um den kreativen Prozess des Erinnerns und um unser episodischen Gedächtnis. Wie lassen sich Erinnerungen visuell darstellen? Wie können wir unsere Erinnerung beeinflussen? Wie und wann erinnern wir uns? 

Tuan Anh stellt in dieser Serie seine eigenen ganz persönlichen „Relikte“ und Erinnerungsstücke dar, die als pars pro toto stehen. Als Medium wählt er Zement und bildet damit verschiedenste Formen nach, um die Zerbrochenheit und Abgenutztheit nachzuempfinden. Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. Auch diesmal bleiben die Bilder monochrom. Wie gewohnt jedoch detailliert und akribisch mit feinen Linien gezeichnet.

 

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