Skip to main content

Die Vinteuil Sonate ist ein fiktives Stück Musik, aus Marcel Proust Romanprojekts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ – im Roman findet sich nur bruchstückhaftes über Klang und Instrumentierung des Musikstücks, dafür so mehr über die Erinnerungen, die der Charakter Charles Swann mit ihr verbindet.

Die Erinnerung an ein Musikstück hat etwas Traumhaftes, sie ist bloss partiell und im nächsten Moment schon wieder ungreifbar. Für Swann ist die Erinnerung an die Sonate des fiktiven Komponisten Vinteuil die Erinnerung an eine Beziehung. Die Sentimentalität, die Prousts Roman durchzieht, ist immer auch der Versuch die Erinnerung an einen Moment und eine mit einer Person (die Klavierspielerin) verbrachten Zeit zurück zu holen.

Die Dinge, die Patrik Fuchs fotografisch festhält, sind Platzhalter für Erinnerungen – persönliche Dinge, die gleichzeitig auf die Zugehörigkeit zu einer Generation und auf einen Ort verweisen – persönliche Erinnerungsstücke des Fotografen, die auf Familienmitglieder verweisen, verweisen auch auf konkrete Momente und Erfahrungen.

Auf einen Plattenteller gelegt und mit einer langen Belichtungszeit fotografiert verschwimmen ihre äusseren Formen und sie werden zu Farbstreifen und Schlieren, die sich wie eine schemenhafte Erinnerung über die Fläche des Bildes verteilen. Die Unschärfe der eigenen Erinnerung – selektiv, emotional durchwirkt – und die technische Unschärfe der Fotografie werden hier übereinandergelegt. Erinnerung als Technik und Erinnerung als Erfahrung – beide sind geleitet von einem Bedürfnis danach, etwas nach zu fühlen. Objekte als Instrumente (mehr im musikalischen als im technischen Sinne).

Die dokumentarische Qualität des Mediums Fotografie wird hier an eine ihrer Grenzen geführt. Wie kann etwas so schemenhaftes wie Erinnerungen festgehalten werden? Fotografiert man die Erinnerungsstücke, so werden sie zu verfügbar gemachten sentimentalen Dingen. Die Erinnerung dagegen entwickelt sich aus der Unschärfe, so wie nur eine Tonabfolge der Sonate bei Proust Swanns Erinnerung unwillentlich aufsteigen lässt.
Ann-Kathrin Eickhoff

Patrik Fuchs
Fuchs ist ein fotografischer Sammler. Fasziniert vom visuellen Gemeingut unserer Lebenswelten, vom Vertrauen gegenüber dem Vertrauten. Er spürt dem Alltäglichen nach, zu Hause in der Schweiz oder auf ausgedehnten Reisen über den Kontinent.
Im “Gewöhnlichen” sucht Fuchs nach dem Typischen, den ästhetischen Eigenheiten, der Schönheit und den Brüchen. Unvoreingenommen begegnet er dem vermeintlich Banalen; wohlwollend aber unbestechlich und direkt. Er arbeitet mit dem Verhältnis von Figur und Funktion, von Raum und Atmosphäre, ohne sich dabei von der vermutbaren Bescheidenheit seiner Objekte irritieren zu lassen. Dieser ebenbürtige und angemessene Blick ermöglicht eine Nähe, die Fuchs bisweilen bis zur Intimität steigert.

Seine Sicht auf die Dinge ist dennoch unaufgeregt und einladend, die fotografische Präzision bestechend. Achtsam legt er Restmengen von Bedeutung und Beziehung frei. Seine Fundstücke wer-den nicht zur Schau gestellt, sondern aufmerksam interpretiert. Seine Arbeiten legen offen, ohne bloss zu stellen. Der Blick durchdringt die Oberfläche. Fuchs spielt mit dem Auratischen, der Berührung von Erinnerung und Ahnung; stellt seine Motive mit jener fast kühlen Gemütsruhe dar, derer sich auch die Allegorie oder das Stillleben bedient. Seine Aufnahmen sind ernsthaft aber mit einem feinen Sinn für das Spielerische, das Schräge. Er ist kein Purist, sondern ein Liebhaber des Einfachen und des Unsichtbaren.

Programm:
Vernissage: 12. Mai 2022, 18.30 Uhr - Einführung durch Gwendolyn Fässler
Artist Talk: 21. Mai 2022, 15.00 Uhr - Moderiert durch Vivienne Heinzelmann
Finissage: 25. Juni 2022, 13.00 bis 17.00 Uhr

Infos

Event Type
Exhibition
Date
-
Share

Artist(s)

Details Name Portrait
Patrik Fuchs

Institutions

Title Country City Details
Galerie 94
Switzerland
Baden
Switzerland
Baden