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Dimitrina Sevova — Preisträgerin des Akku-Atelierstipendiums 2021/2022

Wenn ein Wal ein See ist, spiegelt sich
in seiner Oberfläche die tiefe Zeit

eine Installation von
Dimitrina Sevova
in der Kunstkiste, Akku Uster

 

Der Greifensee als Wal

Die Künstlerin Dimitrina Sevova, am Schwarzen Meer in Varna geboren, entwickelte eine enge Beziehung zum Meer. Ihr Vater, ein bulgarischer Dichter und Schriftsteller, bewahrte einige Bücher auf seinem Nachttisch auf. Als sie ihn, noch bevor sie lesen konnte, nach einem dieser Bücher fragte, einem dicken Wälzer von Herman Melville, der auch Moby Dick enthielt, sagte er ihr, dass er ihn ihr noch nicht vorlesen könne und sie zuerst etwas älter werden und ihn dann selbst lesen müsse. Dieses Buch war eines seiner literarischen Nordsterne und nahm die Rolle der Schriftstellerbibel ein.

Hat Kapitän Ahab den grossen weissen Wal so obsessiv geliebt, wie er ihn gehasst hat? Was sah er in den endlosen Stunden, in denen er auf die Oberfläche des unergründlichen Gewässers starrte, das sein Schiff trug? Oder unmittelbar darunter? Im Bericht des Generalsekretärs an die Internationale Nekronautische Gesellschaft (INS) mit dem Titel «Navigation war schon immer eine schwierige Kunst» konzentrieren sich Tom McCarthy und Simon Critchley stattdessen auf Queequeg, den polynesischen Harpunier, der, obwohl er seinen Sarg bereits aus Nantucket-Holz gezimmert hat, beschliesst, doch nicht zu sterben. Das Manifest erzählt, wie im Roman die dunkle Holzfarbe des Sarges Queequeg an die Bäume seiner Heimatinsel erinnert. Auch der Brauch in Nantucket, tote Walfänger in kleinen Booten aufs Meer treiben zu lassen, kam ihm bekannt vor, «fast genauso wäre die Sitte seines eigenen Stammes, der einen toten Krieger einbalsamierte, ihn darauf in sein Kanu legte und in die sternbedeckte Inselwelt hinaustreiben liess.  Sie haben nämlich den Glauben, dass die Sterne Inseln sind und dass in der Ferne jenseits der Horizonte die milden Meere, in denen es kein Festland gibt, mit dem blauen Himmel zusammenfliessen und so die weissen Brecher der Milchstrasse bilden.»

Unter der Oberfläche des Greifensees, der aus der Vogelperspektive wie ein Wal kartiert, direkt unter der Haut dieses wässrigen Wals, finden wir eine Zone der Verbundenheit, des Zusammenfliessens. Mit dem Auge einer Künstlerin betrachtet, sind dort Formen zu finden, die sich ständig verändern, unruhig sind; Sterne und Inseln und Kreaturen. Diese Formen spiegeln das Geschehen über ihnen wider, sie vermischen sich mit den umliegenden Gebieten und dem Himmel, der dunklen Ökologie des Musters emsiger menschlicher Produktion, die neue Wege des Lebens mit der Natur eröffnet. Der grosse Wal liegt da und harrt darauf, gefunden zu werden.

Text: Damian Christinger

Infos

Event Type
Exhibition
Date
-
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Artist(s)

Details Name Portrait
Dimitrina Sevova

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Title Country City Details
akku künstleratelier uster
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