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Werkschau Kanton Zürich 2022 — Doris Dehan Son

Da, wo Zürich sich zur Goldküste wandelt, machen Villen Platz für Büropaläste. Geordneter als das städtebauliche Flickwerk fügen sich Klinker, Beton und Glas zur Fassade eines Riegelbaus. Doris Dehan Son öffnet die Türe. Kunstwerke hängen an den Wänden. Der Ausstellungsraum im ersten Obergeschoss badet im müden Gold der Abendsonne. Ein Spalt See ist zu sehen. Die Ausstellung wird gerade abgebaut. Über zehn Künstlerateliers befinden sich hier. In einem kleinen Arbeitszimmer auf der Hangseite geniesst Doris gegenwärtig Gastrecht. Sie ist froh, nicht zu Hause arbeiten zu müssen. An den Wänden hängen Fotokopien von Stoffarbeiten. Am Boden liegen Planen, Kartons, PVC-Rohre, auf dem roten Arbeitstisch Skizzen und Stofffetzen. «Das sind die letzten Reste der Handtuchrollen aus dem Restaurant meiner Eltern.» 

Das Ausgehen des Stoffes dieser Rollen, in denen ihre Geschichte verwickelt ist, ist ein Sinnbild der Entwicklung von Doris. Über verschiedene Stationen führte ihr Weg sie an die Zürcher Hochschule der Künste. Sie schliesst den Master in Curatorial Studies ab, jahrelang übt sie sich in der kuratorischen Praxis. «Die Begegnung mit den verschiedenen Sichtweisen und Rollen der Kunstschaffenden haben mir geholfen, meine eigenen Ideen weiterzuentwickeln und mich von Vorstellungen zu lösen.» Dabei meint sie nicht nur die Vorstellungen von anderen Personen, sondern auch ihre eigenen. Sie will, dass ihr Werk im Mittelpunkt steht, nicht ihre Biografie, nicht sie als Person.

Doris Dehan Son will Ästhetisches schaffen. Zufällig, sagt sie, begann sie mit Stoff zu arbeiten. Er stand halt einfach zur Verfügung und sie reisst ihn von Hand in Stücke, bevor sie ihn weiterverarbeitet. «Stoff kann weich sein, hart, steif, bewegt.» Die Textilien, die sie knüpft, näht, webt und wickelt, werden zu körperhaften Skulpturen. Auch das PVC, das in ihr neustes Werk eingearbeitet wird, fand seinen Weg zufällig zu ihr. In der Gegensätzlichkeit der beiden Materialien sieht sie eine Balance, und die Arbeit mit den Händen hat für sie etwas Heilendes. «Man sieht den Werken an, in welcher Stimmung ich gearbeitet habe.» Sie will Emotionen auslösen und sichtbar machen; ihre Arbeiten denkt sie im Raum. Das neuste Werk soll mehrteilig sein, von der Decke hängen, sich bewegen. Sie sucht Leichtigkeit, eine Illusion von Lebendigkeit. Die Besuchenden sollen sich um und unter dem Werk bewegen können. Ihre Skizzen zeigen elegante Figuren. Sie wirken, als könnten sie organisch weiterwachsen und spinnennetzartig zu einer Traumlandschaft werden, in der ausser Kunst nichts existiert.

Laurindo Lietha ist Architekt und Autor. Er hat den CAS ‹Schreiben in Kunst und Kultur› an der Zürcher Hochschule der Künste besucht, ist für einen Verband und als Dozent tätig.

Künstler:innen

Details Name Portrait
Doris Dehan Son

Autor:innen