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Werkschau Kanton Zürich 2022 — Leander Eisenmann

An Humor mangelt es Leander Eisenmann nicht: In einem kürzlich verfassten Interview, das er mit sich selbst geführt hat, reflektiert er seine Arbeit als Künstler. «Tu mal nicht so», heisst es im letzten Satz seines fiktiven Gesprächs, als sich der Fragesteller beim Antwortgebenden bedankt. Auch seine Tuschmalereien auf Papier regen zum Schmunzeln an: So zeigt die Arbeit mit dem Titel Don’t Give Me That Look den Glatzkopf eines unbekannten Herren mit zusammengekniffenen Augen. Hat der etwa einen Hitlerschnauz oder ist das nur eine Projektion? Mit so einem ist jedenfalls nicht gut Kirschen essen! 

Anders als der mit Tusche auf Papier gebannte Miesepeter ist sein Schöpfer ein geselliger Gesprächspartner. Als Eisenmann über seine Tätigkeit im Atelier spricht – hier entstehen sowohl seine Arbeiten als freischaffender Künstler als auch seine Auftragsarbeiten als Grafiker und Typograf –, sprudelt es nur so. Während er als Plakatgestalter klare Botschaften zu kommunizieren habe, sei dies in seiner Kunst nicht der Fall, sagt Eisenmann und lässt beim Sprechen sein graumeliertes, langes Lockenhaar mal über die eine, dann über die andere Schulter fallen. Ein Hippie ist der Künstler jedoch nicht: Getreu der Farbwahl seiner in der Werkschau gezeigten Bilder trägt er ein weisses, gebügeltes Hemd, dazu eine schwarze Anzughose. 

Erlesen wie seine Kleidung wirkt auch die Inneneinrichtung seines Ateliers im Zürcher Quartier Wollishofen: Schlichtes Mobiliar, das Wohnzimmerflair versprüht, trifft in diesem ausladenden Raum auf eine Vielzahl von mit Tusche und Farbe bemalte sowie auf dem Boden ausgelegte Blätter. Während einige der Arbeiten gegenstandslose Malereien zeigen, bekunden die figurativen in ihrer piktogrammhaften Reduziertheit Eisenmanns Affinität zum Grafischen. Dazwischen harren ausgeschnittene und bemalte Papierresten ihrer Verwendung. Dieser Fundus sei seine Schatztruhe, sagt der Künstler schmunzelnd und schiebt einen Schnipsel über den anderen. Auf diese Weise fügt er abstrakt bemalte Fragmente versuchsweise zu Arrangements, die ihn zu neuen Collagen inspirieren. Obwohl dieses Vorgehen mehr mit einem Spiel als mit zielgerichtetem Handeln zu tun hat, hütet sich Eisenmann davor, in Beliebigkeit abzudriften. Dies weiss er etwa dadurch zu verhindern, indem er sich Beschränkungen  auferlegt, die seine kreative Energie in eine Richtung lenken. 

Auch die in der Werkschau gezeigte Serie Probleme sind auch keine Lösung, an der er seit 2019 arbeitet, bringt er durch die Beschränkung auf Tusche, Sprayfarbe und Papier materiell auf einen Nenner. Dennoch entziehen sich diese Arbeiten einer eindeutigen Lesart. Stattdessen sollen seine Bilder miteinander in einen Dialog treten und die Betrachtenden zu eigenen Assoziationen anregen. Um dies zu veranschaulichen, verwendet Eisenmann den Vergleich mit einem Myzel; einem unterirdischen Geflecht aus Zellen, die den eigentlichen Pilz bilden. Seine Arbeiten seien wie der Fruchtkörper eines Pilzes zu verstehen: Sie bildeten jeweils nur den sichtbaren Ausläufer eines verborgen darunterliegenden Netzwerks. Diesem Postulat einer offenen Lesart entspricht auch die Präsentation seiner Arbeiten in der Werkschau: Im Stile der Petersburger Hängung wird eine strenge Lesart Zeile für Zeile verhindert. So ist es jedem selbst überlassen, sich auf die Suche nach dem Myzel zu begeben. 

Tiziana Bonetti doktoriert am Historischen Seminar der Universität Luzern und ist freischaffende Journalistin.

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