Annette Kelm
Annette Kelm zeigt in der Kunsthalle Zürich eine Gruppe von mehr als 40 Aufnahmen, die unterschiedliche Motive und Zeitbegriffe durcheinanderwirbeln. Sie lassen ebenso an Dokumentarfotografie wie an konzeptuelle Strategien denken und erliegen zuweilen dem Oberflächenreiz der Werbefotografie.
Annette Kelm
Die erfolgsverwöhnte Fotokünstlerin Annette Kelm (*1975 in Stuttgart, lebt in Berlin) arbeitet mit der analogen Grossbildkamera und macht ihre Abzüge von Hand. Gerne spielt sie mit den Konventionen von Genres wie Stillleben, Porträts, Objekt-, Architektur- und Landschaftsfotografie. Mit tafelbildartigen Fotoarbeiten hat sie ihre liebe Mühe, stattdessen lässt sie die klassischen Formate vom fotografischen Gegenstand bestimmen. Die Sujets sind enorm vielfältig, sachlich, nüchtern inszeniert und in einer klaren Formensprache gehalten. Daher kommen sie fast dokumentarisch daher - ob als Einzelabzüge oder in Serien -, wären da nicht irritierende Einsprengsel oder befremdende Requisiten. So wenn ein Papagei auf einer Hand mit Lederhandschuh sitzt, welche die Geste eines Falkners imitiert; oder das halbzerfallene, 1924 von Frank Lloyd Wright erstellte «Ennis House» in Los Angeles, das hier auf seine Funktion als Kulisse für den Horrorfilm «House on Haunted Hill» von 1958 verweist, indem eine Tages- neben einer Nachtaufnahme hängt. Besonders die Fotografie einer Frau mit einem ausladenden Hawaihut in Rückenansicht zeigt Kelms Arbeitsweise exemplarisch. Sie sitzt in der Lobby des berühmten, von Robert Stacy-Judd (1884-1975) errichteten Aztec Hotels in Monrovia und liest Robert Stacy-Judds 1993 erschienenes Buch über «Maya Architecture and the Creation of a New Style». Damit wird auf ein weit verzweigtes Netz von Bezügen rekurriert, das Ästhetisches mit Faktischem vermischt. Mit den Gegenständen oder den Posen sind Geschichten verknüpft, welche die Fotokünstlerin intensiv recherchiert hat. Sie schweigen aber über die Kontexte, in denen die Aufnahmen entstanden sind - diese müssen vom Betrachter selbst gedeutet werden.
Von purer Freude an den Ästen eines Orangenbäumchens scheint die 2007 entstandene, vierteilige Fotoserie «Untitled» zu leben. Ihre Wirkung wird allerdings durch den zartgrünen Hintergrund verflacht und gerät in die Nähe der grossformatigen Reproduktionen von Stoffmustern der amerikanischen, in den vierziger und fünfziger Jahren berühmten Designerin Dorothy Draper. In den Fotografien breitet sich das florale Motiv als All-over über das Bildgeviert aus, so dass sich das taktile Material in einen glänzenden, dekorativen Druck wandelt. Ganz abgesehen von solch hintersinnigen Tricks nimmt Annette Kelm mit den durcheinander gemixten Bildwelten Bezug auf unseren täglichen, uferlosen Bilderkonsum und lotet mit ihren vielschichtig codierten Inszenierungen die ganze Palette zwischen High & Low aus.
Institutionen | Pays | Ville |
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Kunsthalle Zürich | Suisse | Zürich |
Dominique von Burg |
Annette Kelm |