Digitale Kunst/@On_Kawara

 Keine Frage, die Zwitscher­maschine Twitter ist in der Kunst angekommen. Ob es um scheinbar individuell verfasste, tatsächlich aber automatisch generierte «artist statements» geht oder - wie beim vergangenes Jahr an dieser Stelle vorgestellten «Predictive Art Bot» - um nach demselben Prinzip aufgebaute Konzepte für trendige Kunstprojekte, oder ob von Software gezeichnete Grafiken gepostet werden: Twitter-Bots mit Kunstbezug gibt es inzwischen in derart stattlicher Zahl, dass man sie getrost als eigenes Genre netzbasierter Kunst verbuchen kann.
Einer davon kann dabei nach wie vor besonders beeindrucken, gerade weil er seit 2009 tagtäglich stets denselben Tweet absetzt: «I Am Still Alive» - also jenen Satz, den On Kawara über Jahrzehnte an Freunde telegraphierte. Dass der Twitter-Account «@On_Kawara» auch nach dem Tod des Künstlers im Jahr 2014 nicht verstummt ist, verdankt sich natürlich dem Geist der Maschine. Der in diesem Fall aber durchaus dem Konzept On Kawaras entspricht. Denn obwohl es sich eigentlich um einen Fake-Account handelt, den der Künstler Pall Thayer für den von ihm als einen von zahlreichen «Microcodes» programmierten Bot anlegte: Zu Lebzeiten liess On Kawara ihn schalten und walten. Bei so viel Konsequenz im wahrsten Sinn des Wortes: warum auch nicht?