Esther Hunziker - Hi There

Esther Hunziker · Hi there, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2018. Foto: Gina Folly

Esther Hunziker · Hi there, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2018. Foto: Gina Folly

Besprechung

Worin besteht die Gemeinsamkeit zwischen einem Meteorit, der 1954 beim Herabfallen eine Frau in einer Kleinstadt Alabamas traf, und einem Zwanzigjährigen, der sich 2017 auf Video aufnimmt und seinen Gemütszustand auf YouTube veröffentlicht? «Sie sind beide Aliens», sagt Esther Hunziker.

Esther Hunziker - Hi There

In ihrer Ausstellung ‹Hi There› im Kunsthaus Baselland interessiert sich Esther Hunziker für die Vieldeutigkeit des Begriffs der Entfremdung. Entfremdet sein - alienated - ist die Empfindung einer Art Kluft, einerseits zwischen dem Selbst und dem Anderen, andererseits aber auch in Bezug auf sich selbst. Denn Entfremdung entspricht immer einer Identitätskrise. Für die Erforschung jenes Zustands stützt sich die Künstlerin auf zwei Hauptreferenzen: die Faszination für aus­serirdische Lebensformen, vor allem in Bezug auf die Ästhetik von Sci-Fi Filmen der Sechzigerjahre, und die Entwicklung eines neuen Identitätsbewusstseins im (post-)digitalen Zeitalter. Beide Felder überlagern sich in der zentralen Installation der Ausstellung. Dort erscheinen auf sechs Monitoren 3D-Renderings von Meteoriten, die sich jeweils im Rhythmus einer Stimme organisch zusammenziehen und ausdehnen, so, als ob die Steine sprechen würden. Für die Stimmen hat Esther Hunziker Tonspuren von Online-Videos übernommen, in denen Menschen auf YouTube von ihren Gefühlen, Bestrebungen und ihrer Beziehung zur Welt erzählen. Ihre Worte klingen einsam und zuweilen fern der Realität, fremdartig wie die ausserirdischen Meteorite. So setzt das Werk Hunzikers den schwierigen Kontakt mit der Alien-Welt und die entfremdete zwischenmenschliche Kommunikation durch neue Technologien auf eine Ebene - beides ein vergeblicher Kontaktversuch, den die überdimensionale Anrede «Hi There» im ersten Raum spiegelnd vorwegnimmt.
Das Thema der chronischen sozialen Entfremdung im virtuellen Zeitalter ist allgegenwärtig, nicht zuletzt beim Stöbern durch die Dutzenden gedruckten Collagen auf einem grossen Tisch. Es sind die Bögen für Hunzikers neue Publikation, die aus ihrer Materialsammlung zum Begriff Alienation stammen. Die Künstlerin greift vielfältig auf die Technik der Collage zurück, um ihre multimediale Schau zu schaffen. Durch die in den Werken kollidierenden Referenzen konfrontiert sie uns mit dem Paradox einer hypervernetzten Gesellschaft, in der die Menschen riskieren, sich dennoch immer mehr voneinander zu entfremden. Das letzte Werk in der Ausstellung besteht aus weissen T-Shirts auf einer langen Kleiderstange hängend, alle mit dem identischen schwarzen Aufdruck «Tourist» versehen, der sich auf Hunzikers Vorstellung bezieht, dass wir heute alle im Begriff sind, zu Touristen in unserer eigenen Welt zu werden. Vielleicht sind uns Aliens nicht so fremd, wie man denkt.

Until 
02.04.2018

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