Bjørn Melhus, «Screensavers»

Bjørn Melhus · Seven Screens, Screensavers, Interaktive Multimediainstallation auf LED-Screens, OSRAM Hauptverwaltung. © ProLitteris. Foto: Stephan Kausch

Bjørn Melhus · Seven Screens, Screensavers, Interaktive Multimediainstallation auf LED-Screens, OSRAM Hauptverwaltung. © ProLitteris. Foto: Stephan Kausch

Besprechung

In dem Aussenraum-Kunstprojekt «Seven Screens» eines in München ansässigen Unternehmens stellt Bjørn Melhus jetzt seine «Screensavers», 2008, vor. Auf sieben LED-Stelen nutzt der Künstler erstmals das Medium Radio und reflektiert dabei u. a. die Durchdringung von privatem und öffentlichen Raum.

Bjørn Melhus, «Screensavers»

Da stehen also sieben 6m hohe LED-Stelen an einer Münchner Hauptverkehrsstrasse, immerhin fahren hier werktags bis zu 90.000 Autoinsassen vorbei, Fussgänger dagegen sieht man kaum. Regelmässig finden hier Kunstprojekte statt, auch Diana Thater z.B. hat sich an den «Seven Screens» schon abgearbeitet. Wie aber das Publikum, das im wahrsten Sinne des Wortes «flüchtig» ist, ansprechen mit elektronischer Kunst im öffentlichen Raum? Die Antwort von Bjørn Melhus ist einleuchtend: Mit einem Mix aus bewegtem Bild und kurzen Textfragmenten. Genauer: Mit Wörtern, die mit Hilfe einer Spracherkennungssoftware aus dem laufenden Programm des bayrischen Radioinformationssenders «B5 aktuell» heraus gefiltert werden und dann auf der LED-Anzeige in Echtzeit aufleuchten. Zwischen Schlagwörtern wie «Klimawandel» oder «Ghaza-Streifen», die also meist das gerade virulente politische Geschehen widerspiegeln, sind Comic-Helden zu sehen, und zwar der Künstler selbst als modellierter Superman, der die Welt auf dem Screen gleichsam vor den durch die aufleuchtenden Schlagwörter angedeuteten Katastrophen «saved» (=schützt).
Die vorbeikommenden Autofahrer können also, wenn sie den Sender «B5 aktuell» angeschaltet haben, das Gehörte gleichzeitig ausschnitthaft auf den sieben LED-Stelen sehen. Durch diese postmoderne Wahrnehmung von verschiedenen Medien gleichzeitig ereignet sich bei «Screensavers» eine Parallelschaltung von privatem Raum, dem Inneren des Autos, und dem öffentlichen Raum, nämlich den Stelen an der Strasse. Und diese Parallelführung, um nicht das Wort Gleichschaltung zu benutzen, ist symptomatisch für die Modalitäten, in denen heute die Kategorien privat und öffentlich auf verschiedenen Ebenen ihre Trennschärfe verlieren. So ist der öffentliche Raum vor den Stelen klarerweise ein privater, gehört eben besagtem Wirtschaftsunternehmen, und so dringt in den privaten Raum des eigenen PKWs immer wieder Öffentliches ein, eben die scheinbar unentrinnbare Medienrealität des Radios, dessen Geschichte in Deutschland als «Volksempfänger» mit der des «Volkswagens» und der von den Nationalsozialisten gebauten Autobahnen eng zusammenhängt - Stichwort: gelenkte Mobilität. Dass die Medienrealität (des Radios) jedoch stets ein verknappendes Bild der Realität ist, ja ihre «Nippesversion» (Günther Anders), dies macht der Künstler so einprägsam wie unterhaltend mit seinem Mix aus Schlagwörtern und den sie ergänzenden Comic-Helden deutlich.

Until 
23.04.2009

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