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Werkschau 2023 — Lourenço Soares

Bauprofile ragen wie Fahnenmasten in den Himmel, markieren einen baldigen Umbruch am Fuss des Uetlibergs. In dieser Siedlung wohnt und arbeitet Lourenço Soares, die meisten seiner Nachbar:innen sind schon ausgezogen. Die Wohnung ist ruhig, das Fenster seines Ateliers steht offen. Ein vollgestellter Raum, gleichzeitig doch übersichtlich und aufgeräumt. Bücher reihen sich aneinander oder liegen sorgfältig aufgeschlagen auf dem grossen Lichtpult. Über der Tür steht in Versalien «POLITICAL ECONOMY», ein Überbleibsel eines Tests für eine Ausstellung in Basel, in der er die Räumlichkeiten zu einer fiktiven Bibliothek für Natur, Kultur, Politik und Geschichte gemacht hat. Diese Art von Arbeit kann sinnbildlich für das forschungsbasierte Schaffen von Lourenço Soares gelesen werden, bei dem es darum geht, Denkräume zu schaffen. So beschäftigt er sich multimedial unter anderem mit der Art und Weise, wie die Natur im westlichen Wissenskontext dargestellt wird. Auch formal orientiert sich der Künstler oft an wissenschaftlichen Illustrationen wie Grafiken und Diagrammen.

In seiner eigenen Bibliothek finden sich unzählige Bücher über die Natur, über Tiere und Dinosaurier oder solche, die zeigen, wie man Insekten zeichnet. «Meine Arbeit ist von Lesarten geprägt, die sich intuitiv und über Disziplinen hinwegbewegen. Im Moment lese ich parallel über Anthropologie und neoliberale Autor:innen, die für eine freie Marktwirtschaft plädieren. Also für eine Wirtschaftsform, die sich allein durch Angebot und Nachfrage und ganz ohne staatliche Interventionen reguliert», erzählt Soares. Es sei paradox zu lesen, auf welche Art und Weise die Autor:innen über die freie Marktwirtschaft als eigenständiges und möglichst unkontrolliertes System sprechen. Als etwas, das im Gegensatz zur Natur nicht gezähmt werden soll. Denn mit Kontrolle würde das Wachstum gebremst oder gar gestoppt werden. Soares spinnt diese Beobachtung weiter und kontextualisiert die neoliberalen Texte mit Forschungen über animistisches Denken und Wissen von indigenen Bevölkerungsgruppen im Amazonasgebiet. Seine Erkenntnisse und Assoziationen übersetzt er für die Werkschau in die raumgreifende Installation Virtuous Cycles of Prosperity. Dafür schafft Soares eine mehrteilige, büroartige Umgebung. Dazu gehört auch ein digitaler Flipchart, auf dem ein Wachstumsdiagramm zu sehen ist. Animierte Eintagsfliegen schwirren um die drei blauen Balken und eine Schnecke bahnt sich quälend langsam einen Weg. Die Szene kann als Metapher für Tempo und Zeitlichkeit gelesen werden, aber auch als ein Zusammenbringen des vermeintlich sterilen und stabilen Umfelds der Wirtschaft mit der Unkontrollierbarkeit der Natur.

Lourenço Soares (*1991, Lissabon, lebt in Zürich) ist ein forschungsbasierter Künstler. Seine Arbeit ist von spekulativer Fiktion und Dekonstruktion geprägt und konzentriert sich auf die Art und Weise, wie westliches Wissen die Natur darstellt. Lourenço Soares verwendet verschiedene Medien, unter anderem Video, 3D-Animation sowie Zeichnung und ist von wissenschaftlicher Illustration und Wissensvisualisierung beeinflusst.

Institutions

Title Country City Details
Museum Haus Konstruktiv
Switzerland
Zürich
Zürich

Artist(s)

Details Name Portrait
Lourenço Soares

Author

Details Name Portrait
Gianna Rovere

Exhibitions / Events

Title Date Type City Country Details
Werkschau 2023 - Exhibition Zürich Switzerland
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Exhibition
Zürich
Switzerland