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Werkschau 2023 — Rebekka Steiger

Nach der Recyclinganlage zweige ich bei den drei grossen Steinen ab – meine Wegweiser zu Rebekka Steigers Atelier. In der umgebauten Verbrennungsanlage winkt sie mir über die Brüstung gegenüber des Eingangs zu. Sie teilt den hohen Raum mit einem Steinbildhauer, einem weiteren Künstler und einer Schreinerin. Ihr Arbeitsplatz befindet sich oben auf der Galerie, wo unterschiedlich grosse Leinwände an die Betonwand lehnen und diese bunt färben. Seit April ist Steiger wieder längerfristig hier. Davor arbeitete sie sieben Monate in Vietnam und lebte bis zur Coronapandemie fast zwei Jahre in China. Die anderen Kulturen, Sprachen und Menschen waren jeweils entscheidende Inspirationsquellen für einzelne Arbeitszyklen. Weggehen sei dementsprechend immer einfacher als zurückkommen, sagt sie, und schenkt zwei Tassen Tee ein. Seit sie wieder da ist, hat Steiger noch nicht viel gemalt: Die Schweizer Leinwände sind ihr nach der Arbeit in Vietnam zu feinmaschig und zu regelmässig. Die Künstlerin erzählt in diesem Zusammenhang mit viel Begeisterung von ihrer ständigen Suche nach neuen Techniken und unbekannten Materialien. Das passiert manchmal auch per Zufall, zum Beispiel wenn beim Abtupfen von überschüssiger Farbflüssigkeit kleine, eigenständige Kunstwerke aus dem verwendeten Papier entstehen.  

Bis die passenden Leinwände eintreffen, schreibt Steiger viel. Die Titelsetzung war schon immer ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit, es erlaubt ihr, das Entstandene zu reflektieren und durch Worte die Bildgewalt perspektivisch auszuweiten. Seit Kurzem schreibt Steiger zusätzlich längere, freie Texte, spinnt gewisse Aspekte aus ihren Werken weiter und arbeitet an einem Buchprojekt.

Das Werk Ichor ist eines der letzten Gemälde, die in Vietnam entstanden sind. «Ichor» bedeutet auf Altgriechisch so viel wie «das Blut der Götter» und ist gleichzeitig Wortstamm von «Petrichor», der Bezeichnung des Geruchs von Regen auf trockener Erde, worüber die Künstlerin in einem ihrer Texte nachdenkt. Figurative, mystische Formen, wie jene im Zentrum von Ichor, tauchen in ihren Werken immer wieder auf. Sie besitze mittlerweile ein ganzes Bestiarium, erzählt sie und schmunzelt. Dabei interessiert sie sich besonders für die Verschmelzung von Menschen- und Tierkörpern, wie es beispielsweise der «Kitsune» darstellt, ein Fuchswesen aus der asiatischen Mythologie. Die Faszination für solche Formen komme unter anderem von einer Sehnsucht nach einer Verbindung mit der Natur. Für Ichor arbeitete die Künstlerin mit Acryltusche, eine hochpigmentierte Farbe, die auch für Airbrush eingesetzt wird. Weil die Technik viel Nässe voraussetzt, entstehen die Werke mehrheitlich auf dem Boden. Im Atelier musste Steiger deshalb ihren Arbeitsplatz zunächst einmal abdichten, damit das Wasser nicht mehr in den unteren Raum der Schreinerin tropfte, erzählt sie. Mit dem Trocknen des Gemäldes beginnt der meditative Aspekt ihres Malprozesses: Dann wartet die Künstlerin, bis sich Aggregatszustände verändern, und lagert das Bild nach und nach um, um den Pigmenten sorgfältig die gewünschte Richtung zu geben. So interagieren Formen, Farben, Materialien und Techniken miteinander und schaffen eine berührende, starke Bildsprache.

Rebekka Steiger (*1993, Zürich) lebt in Zürich.
Sie versteht die Malerei als eine persönliche Verfasstheit, in der sie sich – idealerweise befreit von einengenden Konzepten oder fixen Ideen – der Lust am Experimentieren mit ungewissem Ausgang hingeben kann. Zum herbeigeführten Zufall kommt die Erfahrung: Erlebnisse, die in das Schaffen miteinfliessen sowie die technischen Erkenntnisse, auf welche die Künstlerin zurückgreifen kann. Steigers Werke zeichnen sich aus durch eine fesselnde, intensive Bildsprache, in der sich Vertrautes mit Unbekanntem oder Undurchschaubarem mischt. Der Fantasie der Betrachter:innen sind keine Grenzen gesetzt.

2016 Bachelor in Fine Arts an der Hochschule Luzern (HSLU). Einzelausstellungen (Auswahl): Kunstmuseum Luzern; Kunsthaus Grenchen; Kunst(Zeug)Haus Rapperswil-Jona; in Vorbereitung: Tank Museum Shanghai (2024). Gruppenausstellungen (Auswahl): Kunstmuseum Singen; Meicheng Space Shenzhen; Werkschau 2020, Haus Konstruktiv Zürich; Galerien Urs Meile Luzern, Ardez und Beijing. Residenzen: 2018-2019 Beijing, China; 2022-2023 Ho-Chi-Minh-City, Vietnam. Rebekka Steiger arbeitet in Luzern.

Institutions

Title Country City Details
Museum Haus Konstruktiv
Switzerland
Zürich
Zürich

Artist(s)

Details Name Portrait
Rebekka Steiger

Author

Details Name Portrait
Ava Slappnig

Exhibitions / Events

Title Date Type City Country Details
Werkschau 2023 - Exhibition Zürich Switzerland
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Exhibition
Zürich
Switzerland