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Werkschau 2023 — Thi My Lien Nguyen

Sie sei eigentlich ein Schwamm und eine Wolke gleichzeitig, sagt Thi My Lien Nguyen. Ein Schwamm, weil die Recherche einen grossen Teil ihrer Arbeit ausmacht und sie sich so mit Informationen vollsaugt. Eine Wolke, weil sie sich an die Umstände flexibel anpasst, bewegt und verformt. Wir sitzen am Tisch in ihrem lichtdurchfluteten Atelier in Winterthur. In einer Ecke wächst ein Kunstblumenstrauss, an den Wänden hängen bunte Collagen und Fotografien, in meinem Rücken stehen Stative. Nguyens Alltag verändert sich dauernd. Immer geht es darum, eine Balance zu finden zwischen Kunst und Leben, zwischen Auftragsarbeiten als Fotografin und Projekten, für die sie brennt. Es helfe ihr, in Phasen zu denken und so neue Freiräume zu schaffen.

Die Themen, die Nguyen in ihrer Kunst verhandelt, sind eng mit ihr und der Person verbunden, die sie in der Gesellschaft repräsentiert: junge Frau, PoC, Kind der Arbeiter:innenklasse und Angehörige einer Diaspora. Zwangsläufig ist ihre Arbeit politisch. Nguyen versteht ihre Kunst als leise Art von Aktivismus. Die Lautstärke sei dabei sicher auch ihrer Sozialisierung geschuldet, erzählt sie: In Vietnam, dem Land, aus dem ihre Eltern geflüchtet sind, ist die Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt. Für Nguyens Kunstpraxis ist der vermittelnde Anspruch zentral. Durch ihr Engagement bei Les Complices*, einem queerfeministischen Safer Space für PoCs in Zürich, hat sie allerdings mehr und mehr begonnen, ihre Vermittlerinnenrolle zu hinterfragen und anders zu konnotieren. Raum einzunehmen, ohne darum zu bitten. Zu vermitteln, ohne zu erklären; und das auszuhalten. No Explanation Needed – so heisst deshalb auch ihre Arbeit für die Werkschau.

Die Künstlerin zeigt mir im Atelier Mockups der fotografischen Serie, momentan hängen sie als Collagen an der Wand neben der Tür. Die Fotografien zeigen Elemente des vietnamesischen Hausaltars und thematisieren mit ihm Rituale rund um Fürsorge, Opfergabe und das Einladen von Ahn:innen in die Familie, und den Tod ins Leben. Essen ist ein präsentes Thema in Nguyens Kunst. In Aktivierungen ihrer Installationen lädt sie beispielsweise durch das Kochen und gemeinsame Essen von vietnamesischen Gerichten zu einem postmigrantischen Diskurs ein, und beschäftigt sich mit der Dehnung von Raum und Zeit. Die Fotografien von No Explanation Needed befinden sich in Passepartouts: Damit greift Nguyen eine ursprünglich traditionell westliche Rahmungspraxis auf, mit der sie bewusst bricht – durch den Einsatz von Farbe und Text und das Verrücken der Bildausschnitte. Das schmerzt unser symmetrisch geschultes Auge fast ein bisschen; und hilft gleichzeitig zu verlernen und neu zu speichern. Der Text, ein eher neues Medium in Nguyens künstlerischer Praxis, erweitert die fotografische Arbeit und spielt mit dem Unübersetzbaren zwischen Sprachen. No Explanation Needed ermutigt auf vielschichtige Art und Weise, Ungewohntes auszuhalten, flexibel zu bleiben – und eigene Erklärungen zu finden.

Gruppenausstellungen (Auswahl): 
2023 Kiefer Hablitzel Göhner Kunstpreis; Swiss Art Awards
2022 Heimspiel 2021, Kunsthaus Glarus; Plat(t)form, Fotomuseum Winterthur
2021 Jungkunst, Winterthur; ‹Unexpected paths: Viewpoints from Europe›, Photo Hanoi, Vincom Center for Contemporary Art (VCCA), Hanoi, Vietnam 
2020 ‹Dezemberausstellung: Fokus unter 40 Jahre›, Kunst Museum Winterthur; artgenève, ‹Prix Mobilière› 2020, Palexpo Genève
2017 Prix Photoforum 2017›, Photoforum PasquArt Biel/Bienne

Einzelausstellung
2022 ‹Three Grains of Rice and Some Gold›, Coalmine Winterthur

Institutions

Title Country City Details
Museum Haus Konstruktiv
Switzerland
Zürich
Zürich

Artist(s)

Author

Details Name Portrait
Ava Slappnig

Exhibitions / Events

Title Date Type City Country Details
Werkschau 2023 - Exhibition Zürich Switzerland
-
Exhibition
Zürich
Switzerland