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Kunstschaffen im Jetzt — Drei Fragen an Isabelle Krieg

Kunstbulletin: Welche Fragen hast Du am Anfang dieses neuen Jahres an die Kunst – an die Kunst allgemein und an Deine eigene?
Isabelle Krieg: Erlaube ich es mir, in diesen lebensbedrohenden Zeiten noch Kunst zu machen? Wenn ich das Herz voll Kummer und Angst habe wegen der dystopisch lodernden Welt: Wie kann die Kunst unabhängig, frei und lustvoll bleiben? Und gleichzeitig: Wie kann sie vermittelnd, friedensstiftend, machtvoll werden?

Kunstbulletin: Was sind in Deinen Augen die grossen Herausforderungen für die Kunst beziehungsweise für Deine Kunst in den kommenden Monaten oder Jahren?
Krieg: Es gilt, Kunst (und jegliche anderen Projekte) nicht nur umweltschonend her- und auszustellen, sondern möglichst sogar förderlich für die Natur. Kunst ist Lebens-Mittel, sie muss mehr Gewicht bekommen, noch viel mehr in den Alltag, in die Schulbildung und in alle Lebensbereiche eindringen.

Kunstbulletin: Die Kunst ist ein wichtiger Resonanzraum. Gab es im letzten Jahr Momente, Begegnungen, Reaktionen, in denen Du das besonders stark wahrgenommen hast, aus denen Du auch Energie schöpfst fürs Weitermachen?
Krieg: Kunst gibt mir immer dann Kraft, wenn sie zur tiefen Begegnung wird. Wenn eine Arbeit wie zum Beispiel ‹Life Jacket› andere begeistert, insbesondere Kinder und kunstferne Menschen, dann stärkt mich das und lässt mich weitermachen.
Die Begegnung mit der Architektin Charlotte Malterre-Barthes hat mich inspiriert, beeindruckt und ermutigt. Die Forschung am Projekt ‹Was brauchen wir?› mit Ira Titova, die vor dem russischen Angriffskrieg aus Kiew nach Kreuzlingen geflüchtet ist, war sehr intensiv und lustig. Leider hat es unser Vorhaben dann doch nicht in die Realität geschafft. Meine Performance ‹Überfluss›, die ich für einen Videodreh bei Sonnenaufgang aufführte, hat mich die Kraft dieser künstlerischen Handlung spüren lassen und mich in einen riesigen inneren Gedanken- und Erkenntnisraum geführt. Das Künstlerinnengespräch in der Galerie Stephan Witschi war eindrücklich, weil die Besucher:innen sich so aufrichtig eingebracht haben, weil bei allen die Traurigkeit über die Welt spürbar war und dass die Kunst ihnen hilft, damit umzugehen.

➔ Der Dialog war Teil einer Umfrage bei ausgewählten Schweizer Kunstschaffenden zur Stimmungslage Anfang 2024. Die Rückmeldungen aller beteiligten Künstler:innen sind in Auszügen im Kunstbulletin 1-2/2024 erschienen.

Artist(s)

Details Name Portrait
Isabelle Krieg

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