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Auf der Faltkarte zur Eröffnung und Ausstellung der Swiss Art Awards 2017 prangten in blauer Schrift auf weissem Grund die verschiedenen ausserkünstlerischen Teilzeitbeschäftigungen, denen die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler nachgehen. Im Rahmen einer Preisverleihung wurden die Gewinnerinnen und Gewinner 2017 in Basel zeitgleich zur Art Basel geehrt. Die diesjährige Kommunikation der Swiss Art Awards widmete sich den Arbeitsbedingungen der Kunstproduktion. Zu Nebenerwerb und Verkäufen kommen die Förderung durch Bund, Kantone und Gemeinden sowie das private und privatwirtschaftliche Engagement als Einkommen hinzu. Der ursprünglich «zur Hebung des mittelmässigen Niveaus der schweizerischen Kunst»2 gegründete Eidgenössische Wettbewerb für freie Kunst figuriert seit 2002 unter dem Titel «Swiss Art Awards». Für das Bundesamt für Kultur (BAK) stellen diese das heute wohl wichtigste und medial am breitesten rezipierte Fördermittel dar. Die Geschichte des Eidgenössischen Wettbewerbs ist von zahlreichen Änderungen und Anpassungen geprägt. An dessen Genese lässt sich nicht zuletzt die Entwicklungstendenz der Kunstförderung in der Schweiz seit den 1980er Jahren nachzeichnen. Manche Themen stehen dabei wiederholt und bis heute zur Debatte: Nebst den Auswahlkriterien bleibt die bereits in den Anfängen des Stipendiensystems aufgeworfene Frage, ob entweder die Anzahl Kandidaten gesenkt und somit höhere Stipendien vergeben, oder vielmehr möglichst viele Kunstschaffende mit kleinen Beträgen gefördert werden sollen, auch in der Folge wichtiger Bestandteil der Diskussionen. Im Jahr 2014 halbierte das BAK die zuvor zwanzig Auszeichnungen auf deren zehn, mit dem Ziel, die Sichtbarkeit der prämierten Kunstschaffenden zu verbessern. Der Fokus auf die Gewinnerinnen und Gewinner, die Inszenierung des Fördermittels als prestigeträchtiger «Award» und die feierliche Preisverleihung sind zentrale Bestandteile der heutigen Förderung.

Werfen wir einen Blick zurück: Noch in den 1950er und 1960er Jahren befasste sich die Eidgenössische Kunstkommission (EKK) damit, ob die wirtschaftliche Situation der Bewerber ebenso ein Auswahlkriterium oder das Stipendium vielmehr die Anerkennung einer künstlerischen Arbeit darstelle. Dies sollte sich erst in den 1970er Jahren ändern, was denn auch den veränderten Bedingungen in der Kunstwelt und dem gewandelten Künstlerbild entsprach. So offenbarten sich die 1970er Jahre noch als vorwiegend marktkritische Zeit. Kunstschaffende liessen sich in ihrem Streben nach Aufmerksamkeit als Ausstellungskünstler definieren und bemühten sich weniger um Galerien, denn um das Eidgenössische Kunststipendium. Um 1980 hatte ein folgenreicher Paradigmenwechsel stattgefunden. Ebenso wie sich die Möglichkeiten künstlerischen Ausdrucks diversifizierten, vervielfachten sich Strategien und Akteure in der Kunstförderung. Nebst den privaten und privatwirtschaftlichen Förderern tauchten ab 1970 in der Gestalt bedeutender Kuratoren oder der Art Basel zusätzliche Instanzen auf, die den Schweizer Kunstschaffenden den Zugang zum internationalen Kunstparkett ermöglichten. Seit Beginn der 1980er Jahre wurde Schweizer Kunst aus dem nationalen Bedeutungskontext herausgehoben und zunehmend anhand der international gängigen Kriterien bewertet. Auch bei den Kunstschaffenden stiess der internationale Kunstbetrieb nunmehr auf Akzeptanz. Anstatt sich ausserhalb des «Systems» zu positionieren, anerkannten sie ihre Eingebundenheit oder machten diese vielmehr zum künstlerischen Thema. Spätestens seit den 1990er Jahren sind Marktstrategien und das Bestreben, die eigene Arbeit mediengerecht aufzuarbeiten, gängig geworden.

Ökonomisierung der Kultur
Den Anschluss an dieses internationale Kunstparkett durfte auch die staatliche Kulturförderung nicht verpassen. Die zusehende Anerkennung der vielfältigen künstlerischen Tätigkeiten und der internationale Erfolg des Kunstschaffens in der Schweiz trugen auch zur Entdeckung des wirtschaftlichen Potenzials bei. Nach 1980 verschoben sich dementsprechend die Akzente hinsichtlich Motivation und Logik. Anstatt in erster Linie das kulturelle Erbe zu pflegen, stand nun die Gegenwartskunst und damit soziokulturelle und wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund. Aus dem Wirtschaftsleben stammende Begriffe wie «Umwegrentabilität» fanden nun Eingang in die kulturpolitischen Debatten. Ein breites kulturelles Angebot umfasste sowohl für die öffentliche Hand als auch für die Privatwirtschaft einen zentralen Stellenwert hinsichtlich des Image- und Standortfaktors. Kreativität und Innovation wurden zu den wichtigsten Produktivkräften der Zukunft, was folglich den Künstler als freie, kreative Person und sozusagen als Repräsentant dieser Kräfte besonders interessant machte, um nicht zu sagen, zum Leitbild der Zukunft werden liess. Im Zuge einer Ökonomisierung aller Lebensbereiche wurden auch die Kunst und der Kunstbetrieb durch das kapitalistische System vereinnahmt, von der Warenlogik durchdrungen und in Konsumgüter verwandelt. Dies führte dazu, dass sich der Betrieb immer mehr dem Wettbewerb und der Leistungsprüfung annäherte. In den 1980er Jahren wurde auch das Kunst- und Kultursponsoring als Instrument der Marketing- und Kommunikationsabteilungen benannt und entwickelte sich in der Folge zu einer verbreiteten Förderungsform.

Die gestiegene Bedeutung der Kultur zeigte sich letztlich auch in der Neupositionierung des Eidgenössischen Kunststipendienwettbewerbs. Die Preisverleihung der Eidgenössischen Kunststipendien hat sich erst im Laufe der 1990er Jahre dem heutigen Prozedere angenähert. 1994 wurden drei bedeutende Modifizierungen am Eidgenössischen Wettbewerb vorgenommen: Die erste betraf die Umbenennung des «Eidgenössischen Stipendiums» in «Eidgenössischer Preis». Die Stipendiaten wurden nun als Preisträger bezeichnet, womit sich der Aspekt der ehemals blossen «Aufmunterung» verflüchtigte und stattdessen derjenige der Honorierung eines bereits geschaffenen Werks hervorgehoben wurde. Das BAK machte für die neue Bezeichnung klärende Gründe verantwortlich. Die Namensänderung zielte jedoch wohl in erster Linie auf ein «face lifting» ab. Angesichts der «Daumen-hoch-Gesellschaft», in der das Leistungs- und Wettbewerbssystem regiert, mutete die Vergabe eines Preises anstatt der Unterstützung durch ein Stipendium zeitgemässer an. Als zweite Modifikation sollte die Ausstellung der zur zweiten Runde eingeladenen Kandidaten und Kandidatinnen an einem Ort, wo sich ein Fachpublikum geballt aufhält, «sesshaft» werden.3 Seit 1994 findet die Ausstellung zeitgleich zur internationalen Kunstmesse Art Basel statt. Der Wettbewerb zielt heute nicht mehr bloss auf einen finanziellen Mehrwert für den Künstler, sondern ebenso - wenn nicht gar in erster Linie - auf eine Referenz für zukünftige Ausstellungsmöglichkeiten. Die entstehende örtliche und inhaltliche Verknüpfung von Förderung und Markt soll sowohl den Kunstschaffenden als auch den Förderern die Möglich-
keit zum Ausbau ihres Netzwerks bieten.

Die Positionierung des Preises als ehrenvolle Auszeichnung und das Liebäugeln mit dem internationalen Kontext der Art Basel kulminierte schliesslich 2002 in der erneuten Umbenennung des Preises für freie Kunst in «Swiss Art Awards».

Preis und Prestige
«Awards» sind integrale Bestandteile der heutigen Förderung. Die Vergabe von Preisen gilt als populäres und medienwirksames Mittel, sind sie doch leichter zu begründen als ein prospektiv angelegter Werk- oder Projektbeitrag. In der ersten Kulturbotschaft des Bundes hiess es: «Preise und Auszeichnungen müssen als Teil einer nationalen Leistungsschau verstanden werden. Sie stellen nicht nur eine offizielle, sondern auch eine kommerzielle und mediale Anerkennung dar.»4 Gerade bei der Vergabe von Preisen ist zentral, welches Renommee die einzelnen Jurymitglieder besitzen, die insofern als Legitimationsmacht fungieren. Je mehr Beachtung beziehungsweise Reputation ein Kunstsachverständiger besitzt, desto grösser fällt das Gewicht seiner Stimme aus. Der deutsche Architekt und Stadtplaner Georg Franck spricht von den Prominenten als «die klassischen Kapitalisten in der Ökonomie der Aufmerksamkeit».5 Die öffentliche Bekanntgabe eines Preises und die Zeremonie der Preisübergabe befriedigen auch das Prestigebedürfnis der privatwirtschaftlichen Kunstförderer. Interessant in diesem Kontext sind die Kollaborationen zwischen
staatlichen und privaten Initiativen der Förderung. Die vom Staat offerierte Plattform nutzen private Förderer zur eigenen Repräsentation, indem sie die von ihnen gestifteten Preise etwa im Rahmen des Eidgenössischen Wettbewerbs verleihen.6 Nicht selten orientieren sich nicht staatliche Akteure in ihrem Förderungs- und Ankaufsverhalten bei einzelnen Entscheidungen an der staatlichen Kunstförderung. Was einer Art «Rückversicherung» durch den Bund gleichkommt, widerspiegelt ebenso die häufig zu registrierende Dynamik der Beobachtung und Imitation unter den verschiedenen Förderern. Die beschriebene Modalität läuft aber Gefahr, die angestrebte und gern gelobte Förderung der künstlerischen Vielfalt zu untergraben.

And the winner is...
In der modernen Gesellschaft hat Erfolg eine allgemeine Kulturbedeutung angenommen. So versteht sich Erfolg als eine Art Pflicht, will man mit gesellschaftlicher Anerkennung rechnen. In einer neoliberalen Wettbewerbsgesellschaft lässt dementsprechend der erfolgreiche wie geniale Kunstschaffende seine Konkurrentinnen und Konkurrenten als «winner» hinter sich. Dass diese Fremd-, teilweise aber auch Selbstdarstellung der Künstler von den heutigen Förderinstanzen eingefordert wird, offenbart sich nicht zuletzt anhand des in den entsprechenden gesetzlichen Grundlagetexten zur Kunst- und Kulturförderung fast inflationär verwendeten Begriffs «herausragend». Der Bund etwa würdigt «herausragende Leistungen in jeder Kultursparte»7 , verleiht einen Grand Prix an eine «herausragende künstlerische Karriere und ein Lebenswerk» oder unterstützt «herausragende Nachwuchstalente», denen das «Potenzial für eine nationale oder internationale Karriere» zugesprochen wird.8 Bezeichnenderweise bedient sich auch die Privatwirtschaft diesem Vokabular. So beschrieb die Credit Suisse 2011 ihre Kunstsponsoring-Philosophie unter dem Titel Höchstleistungen ermöglichen wie folgt: «Die Credit Suisse fördert Institutionen, die auf ihrem Gebiet Herausragendes leisten».9

Bis heute wird zwar immer wieder auf die klar voneinander zu trennenden Absichten zwischen Staat und nicht staatlichen Akteuren gepocht: Auf der einen Seite die in Erwartung einer Gegenleistung und auf die Imagepflege bedachte privatwirtschaftliche Förderung, die hinsichtlich der künstlerischen Inhalte als in hohem Masse selektiv gilt.
Auf der anderen Seite der Staat, dem der Auftrag zukommt, auch schwierig vermittelbare, nicht kommerzialisierbare Kultur zu unterstützen und künstlerische Vielfalt zu fokussieren. Für die öffentliche Hand, ebenso wie für die Privatwirtschaft, ist ein breites Kulturangebot, wie bereits erwähnt, nicht nur arbeitsmarktpolitisch von Bedeutung, sondern namentlich in Bezug auf den Image- und Standortfaktor signifikant. Bereits 1993 sprach die damalige Bundesrätin Ruth Dreifuss von der «staatlichen Kulturförderung als von ‹unternehmensbezogener› Förderung».10
Der von allen Akteuren damit einhergehende Repräsentationsgedanke ist letztlich nicht sehr verschieden. Kunst dient hierbei als Kommunikationsgefäss, die eigene gesellschaftliche und soziale Verantwortung zu demonstrieren. Die aktuelle Kulturbotschaft fokussiert mit dem Begriffspaar «Kreation und Innovation» die in den letzten Jahrzehnten stetig wachsende Annäherung von Wirtschaft und Kultur. Ziel ist es, die «erprobte [...] Zusammenarbeit zwischen Kulturförderung, Industrie und Wirtschafts- sowie Innovationsförderung»11 zu vertiefen und Synergien zu nutzen, um in gewissen Sparten eine «wirtschaftliche Verwertung»12 zu erreichen.

Kooperationen zwischen Kultur und Wirtschaft sind durchaus positiv zu werten. Es ist jedoch darauf zu achten, dass der innerhalb der Wirtschaft übliche Unternehmensjargon nicht blindlings übernommen wird. Ebenso wenig dürfen Rentabilitätsdenken und eine Individualförderung für singuläre «winner» die alleinige Spannweite der Förderung darstellen. Angesichts der in der Geschichte der Schweizer Kunstförderung seit jeher propagierten kulturellen Vielfalt, ist hier ein offizielles Bekenntnis zu einer echten Diversität zentral. Dann hat die Förderung unentdeckter, junger Talente ebenso Platz, wie die oftmals als nicht mehr nötig abgestempelte Unterstützung bereits arrivierter Kunstschaffender, und die Unterstützung autonomer, nichtkommerzieller Strukturen etwa ermöglicht ein nicht zwingend produkt- oder zielgerichtetes Arbeiten. Erst eine Kunstförderung, die an sich tatsächlich die Aufgabe stellt, ihre Fördermassnahmen entsprechend der künstlerischen und kulturellen Vielfalt zu dynamisieren, wird den Anforderungen, welche die nie homogen verlaufende Entwicklung der Künste an sie stellt, gerecht.

Patrizia Keller ist Kunsthistorikerin, 2015 promovierte sie an der Universität Zürich zur Förderung der bildenden Kunst in der Schweiz seit 1980. Seit Anfang 2016 ist sie Kuratorin und stellvertretende Leiterin am Nidwaldner Museum in Stans. Als Mitglied des Aargauer Kuratoriums hat sie seit 2016 den Vorsitz Fachbereich Bildende Kunst & Performance inne.

1 Folgende Ausführungen beruhen auf den im Rahmen meiner Dissertation durchgeführten Untersuchungen: Keller, Patrizia: Vom Holzboden auf das internationale KunstParkett. Die Förderung der bildenden Kunst in der Schweiz seit 1980, Diss. Universität Zürich, 2015. Zur Zeitspanne zwischen 1950 und 1980 vgl. Dal Molin, Gioia: «Von der schwierigen Kunst, Kunst zu fördern.» Staatliches und nicht-staatliches Engagement für die bildende Kunst in der Schweiz zwischen 1950 und 1980, Diss. Universität Zürich, 2014 (Publikation in Vorbereitung).
2 Zit. in: Lienhard, Pierre-André: «Gedanken zum Wettbewerb 1999», in: Bundesamt für Kultur (Hg.), Eidgenössische Preise für Freie Kunst 1999, Ausst.-Kat. Kunsthalle Zürich, 6.11.-30.12.1999, Bern 1999, o. S.
3 Eine dritte Änderung am Eidgenössischen Wettbewerb betraf die Preissumme, die von 18'000 auf 25'000 Franken sichtlich erhöht wurde.
4 Botschaft zur Förderung der Kultur in den Jahren 2012-2015 (Kulturbotschaft) vom 23. Februar 2011, S. 3019.
5 Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf, München 1998, S. 118.
6 Als erste (seit 1976) bediente sich die private Kiefer-Hablitzel-Stiftung des Forums. Ab den 1990er Jahren mehrten sich die in diesem Rahmen verliehenen Preise. 1993 wurde die EKK etwa mit einer Anfrage der Fondation Moët & Chandon (Suisse) pour l'Art konfrontiert. Ein weiterer bis 2012 im Rahmen der Swiss Art Awards von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen verliehener Preis war der seit 1996 existierende Prix Mobilière der Mobiliar Versicherung.
7 Vgl. Botschaft zur Förderung der Kultur in den Jahren 2016-2020 (Kulturbotschaft) vom 28. November 2014, S. 16.
8 Ebd., S. 33-34.
9 Vgl. , Zugriff 7.3.2011.
10 Dreifuss, Ruth: Staat und Kultur. Referat von Bundesrätin Ruth Dreifuss am GDI- Symposium vom 23.-24.9.1993, in: Symposium Brot und Spiele, Tagung 23. - 24.9.1993, Rüschlikon/Zürich. «Kulturförderung: Eine gemeinsame Aufgabe von Staat, Unternehmen und Mäzenen», Rüschlikon 1993, S. 8-9, hier S. 7.
11 Kulturbotschaft 2016-2020, S. 5.
12 Ebd., S. 91.

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