Zeitbilder — Walead Beshty. Festgehalten

Unter dem Titel ‹Zeitbilder› präsentieren wir Werkbetrachtungen von Kuratorinnen und Kuratoren, die ein Kunstwerk ihrer Wahl vor dem Hintergrund der Corona-Krise neu lesen.

Curator’s Choice — Der verordnete Lockdown zur Eindämmung der weltweiten Pandemie hat uns jäh aus dem Alltag gerissen und unsere Gewohnheiten in Frage gestellt, sie buchstäblich «festgehalten» – und zwar in allen Lebensbereichen, auch in der Kunst. Museen und Galerien wurden geschlossen, Ausstellungen und Kunstmessen abgesagt…. Das Festhalten gewohnter Abläufe liegt dem Werk Walead Beshtys (*1976) gedanklich zugrunde, verbunden mit dem Befragen der gesellschaftlichen Systeme, in denen diese sich manifestieren. ‹Directors› betitelt der Künstler sein minimalistisch wirkendes Kupfer- und Metallobjekt, das einen Designertisch als Ready-Made aufnimmt und seine Herkunft und seine Funktion im Titel transparent macht: ‹Source: wood, laminate, and particleboard desk designed by Project- Space/Jonathan Caplan from the reception office at Friedrich Petzel Gallery, New York…›. Beshty hatte für die Dauer einer Ausstellung den Bürotisch seiner Galerie durch eine passgenaue Kupferplatte ersetzt, auf der sich alle Aktivitäten als Oxidation niederschlugen. Der Bürotisch fungiert als Plattform, auf denen Diskussionen rund um Kunst geführt werden, als Ort des Vermittelns und Handelns. Die Serie der ‹Copper Surrogate›-Tische dokumentiert die Spuren immaterieller Arbeit im Kunstkontext und macht diese im sozialen Raum des Museums sichtbar, wenn sie als Objekte an der Wand präsentiert werden. Das Vermitteln und Verhandeln von Kunst wird im Werk festgehalten, in der Realität zurzeit allerdings aufgrund von COVID-19 fast komplett gestoppt. So wird Beshtys Werk für mich zum Memento, verbunden mit der grossen Hoffnung, dass Kunst bald wieder im Original betrachtet und vermittelt werden darf.